Karl Steinbuch
Karl Steinbuch (* 15. Juni 1917 in Stuttgart-Cannstatt; † 4. Juni 2005 in Ettlingen) war ein deutscher Kybernetiker, Nachrichtentechniker und Informationstheoretiker.
Steinbuch gilt als „Theoretiker der informierten bzw. falsch programmierten Gesellschaft“ (Stefan Rieger 2003) und einer der Pioniere der deutschen Informatik, mit seiner Lernmatrix als Pionier der künstlichen neuronalen Netze, sowie als Mitbegründer der künstlichen Intelligenz und der Kybernetik. Er prägte den Begriff Kybernetische Anthropologie.
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[Bearbeiten] Leben
Karl Steinbuch promovierte an der Technischen Hochschule Stuttgart 1944 in Physik.[1] Er arbeitete nach dem Zweiten Weltkrieg als freiberuflicher Physiker, wechselte 1948 als Entwicklungsingenieur zur Stuttgarter Firma Standard Elektrik Lorenz (SEL), wo er die Entwicklung des ersten Europäischen volltransistorisierten Computersystems (ER 56) leitete und mehr als 70 informationstechnische Patente auf ihn zurückgehen. [2]Er war Technischer Direktor und Leiter der Zentralen Forschung bei SEL, bevor er 1958 als Ordinarius und Institutsdirektor an die Technische Hochschule Karlsruhe (seit 2009 Karlsruher Institut für Technologie) berufen wurde, wo er bis zur Emeritierung 1980 Direktor des Instituts für Nachrichtenverarbeitung und -übertragung war. Seine Arbeiten auf dem Gebiet lernfähiger Maschinen gelten als Pionierleistungen.
In einer Anklageschrift an die Adresse der „Hinterwelt“, die er von Friedrich Nietzsche entlehnte[3], versuchte er Ende der 1960er, die Bildungspolitik der Bundespolitik zu beeinflussen. Mit Kollegen wie Jean Ziegler aus der Schweiz formulierte er den zu erwartenden Bildungsnotstand und die sich abzeichnende bürgerliche Lobbygesellschaft. Der englische soziale Geschichte beschreibende Eric J. Hobsbawm hat in seinem Lebenswerk „Das imperiale Zeitalter“ ein Denkmodell hierzu geschrieben. Die Politik hat mit den positiv ausgerichteten Mahnern der neuen Generation (wie John Naisbitt mit „Megatrends Arbeitsplatz“) neue Denkmethoden installiert.
In der Diskussion der 1970er Jahre um die Folgen des technischen Fortschritts wandte er sich in seinen Sachbüchern gegen die aufkommende ökologische Orientierung und gegen das öffentlich-rechtliche Fernsehen wegen seiner angeblich gefährlichen Informationspolitik. Ein privates Kabelfernsehen sollte dem entgegenwirken. Er forderte, einen „Technischen Gerichtshof“ einzurichten, dessen Aufgabe es sein sollte, Forschungs- und Anwendungsverbote auszusprechen. Dessen Richter sollten mit Fachexperten besetzt werden.
Die Ausprägung des Begriffes Informatik geht auf Steinbuch zurück, der ihn erstmals in einer Veröffentlichung (1957) über eine Datenverarbeitungsanlage für das Versandhaus Quelle gebrauchte.
Er war Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (Halle/Saale) und der Europäischen Akademie für Umweltfragen.
2004 erfuhr Steinbuch mit der Benennung eines Stipendiums nach ihm eine Ehrung. Mit dem Karl-Steinbuch-Stipendium fördert die MFG Stiftung Baden-Württemberg IT- und Medienprojekte. Pro Jahr werden 10 bis 20 Stipendien an besonders qualifizierte Studierende vergeben, die innovative Projekte im Themenbereich IT und Medien außerhalb ihres Studiums realisieren.
Das Rechenzentrum des 2009 gegründeten Karlsruher Instituts für Technologie wurde nach ihm benannt: Steinbuch Centre for Computing.[4]
[Bearbeiten] Werke
- 1961: Automat und Mensch. Über menschliche und maschinelle Intelligenz, Springer
- 1962 (1967): Taschenbuch der Nachrichtenverarbeitung herausgegeben von Dr.-Ing. K. Steinbuch. Springer Verlag.
- 1963: Learning matrices and their applications (zusammen mit Dr.-Ing. U. Piske) (erschienen in IEEE Transactions on Electronic Computers)
- 1966 (1969): Die informierte Gesellschaft. Geschichte und Zukunft der Nachrichtentechnik
- 1968: Falsch programmiert. Über das Versagen unserer Gesellschaft in der Gegenwart und vor der Zukunft und was eigentlich geschehen müßte. (Bestseller, gelistet in: DER SPIEGEL)
- 1969: Programm 2000. (Bestseller, gelistet in: DER SPIEGEL)
- 1971: Automat und Mensch. Auf dem Weg zu einer kybernetischen Anthropologie (4., überarb. Aufl.)
- 1971: Mensch Technik Zukunft. Probleme von Morgen. (Ausgezeichnet mit dem deutschen Sachbuchpreis)
- 1973: Kurskorrektur
- 1975: Ja zur Wirklichkeit
- 1978: Maßlos informiert. Die Enteignung unseres Denkens
- 1984: Unsere manipulierte Demokratie. Müssen wir mit der linken Lüge leben?
- 1989: Die desinformierte Gesellschaft
- 1992: Kollektive Dummheit: Streitschrift gegen den Zeitgeist
[Bearbeiten] Preise und Auszeichnungen
- Wilhelm-Bölsche-Medaille in Gold
- Deutscher Sachbuchpreis
- Gold-Medaille des XXI. Internationalen Kongresses für Luft- und Raumfahrtmedizin
- Konrad-Adenauer-Preis für Wissenschaft
- Jakob-Fugger-Medaille
- Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg
[Bearbeiten] Zitate
- „Das menschliche Gehirn ist nicht geschaffen, rationale Prozesse zu veranstalten, sondern das Überleben eines Organismus zu bewirken.[3]“
- „Vor den gesellschaftlichen Nöten verhält sie sich [die Hinterwelt] wie ein Arzt, der mit den Kranken jammert, sich aber nicht um die Ursachen ihrer Krankheiten kümmert. Man fummelt an den Symptomen offensichtlicher Mißstände herum und verschafft sich durch menschenfreundliche Worte ein gutes Gewissen.[3]“
- „Bei technischen Systemen ergibt sich optimale Wechselwirkung zwischen angepaßten Quellen und Empfängern: Im sozialen Bereich aber führt diese Überlegung zu der menschlich recht unwürdigen Vorstellung, optimal wäre das Verhalten des gut geschmierten Rädchens im Uhrwerk.[3]“
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Karl Steinbuch im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Nachruf der Uni Karlsruhe
- http://helios.informatik.uni-kl.de/euology.pdf (PDF-Datei; 352 kB)
- http://xputers.informatik.uni-kl.de/papers/publications/HilbergUeberSteinbuch.pdf (PDF-Datei; 3,97 MB)
- Eintrag im Stadtwiki Karlsruhe
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ Karl Steinbuch – Informatiker der ersten Stunde karl-steinbuch-stipendium.de, abgerufen am 27. Oktober 2010
- ↑ Bernhard Widrow,et al.: 1917 Karl Steinbuch 2005 pdf, abgerufen am 27. Oktober 2010
- ↑ a b c d Karl Steinbuch: Falsch programmiert. 1968.
- ↑ www.scc.kit.edu
Personendaten | |
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NAME | Steinbuch, Karl |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Kybernetiker, Nachrichtentechniker und Informationstheoretiker |
GEBURTSDATUM | 15. Juni 1917 |
GEBURTSORT | Stuttgart-Cannstatt |
STERBEDATUM | 4. Juni 2005 |
STERBEORT | Ettlingen |