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Saturday, May 06, 2023

Interview mit Kaukasus-Reisen. Hans Heiner Buhr über seinen Traum vom grenzenlosen Reisen in dieser atemberaubenden Region.

Interview von Ralph Hälbig

Hans Heiner Buhr, ehemaliger Deutsch-Lehrer, jetzt Reiseunternehmer und Künstler in Georgien, gehört zu den Pionieren, die deutschsprachige Reisende mit kleinen Abenteuer-Reisen in diese Region gelockt haben. Anfangs begann er als Ein-Mann-Unternehmer zusammen mit lokalen Freunden und Familie in den späten Neunziger Jahren mit Kaukasus-Reisen ein feines, schmales Programm anzubieten. Sein Renner waren in dieser Zeit die Begleitung beim Viehabtrieb aus den hohen Bergen in Tuschetien hinunter in das Winterquartier der Schafherden. BjØrn Erik Sass schrieb darüber 2010 eine große Reportage in DIE ZEIT - Heute ist das Familienunternehmen mit knapp 10 Angestellten und freien Guides auf Reisen in Georgien und in die Nachbarländern im Kaukasus spezialisiert. Kaukasus-Reisen hat sein Programm wohlüberlegt erweitert und bietet maßgeschneiderte Touren und Rundreisen für Einzelpersonen, Paare und Gruppen an und legt dabei besonderen Wert auf Inhalte und Qualität statt Quantität.

Die Touren von Kaukasus-Reisen führen durch malerische Landschaften und bieten den Reisenden die Möglichkeit, die Kultur und Geschichte Georgiens, Armeniens und Aserbaidschans kennenzulernen. Zusätzlich zur Erkundung der Sehenswürdigkeiten werden traditionelle Gerichte und lokale Weine angeboten. Das Unternehmen arbeitet eng mit örtlichen Reiseführern und Hotels zusammen, um den Reisenden ein authentisches Erlebnis zu bieten und ihnen die Kultur und Mentalität der Kaukasier näherzubringen. Für alle, die neugierig sind und nach den schwierigen Corona-Jahren vorhaben, bald in diese Weltgegend zu reisen, dazu hier ein paar Antworten auf meine Fragen. Kaukasus-Reisen heißt euch willkommen!

Ralph Hälbig: Wie hat sich die Reisesituation in Georgien seit dem Ausbruch von Corona verändert und wie beeinflusst dies das Reiseverhalten? Sind bereits Anzeichen erkennbar, dass sich die Reiseaktivitäten trotz Inflation im Jahr 2023 wieder erholen werden?

Hans Heiner Buhr: Im Jahr 2018 sah es für deutsche Reisende in Georgien besonders vielversprechend aus: es gab zahlreiche günstige Flüge, die Buchmesse in Frankfurt und Leipzig mit ihrem Georgien-Spezial lockte viele Besucher an, der Euro war stark und es gab Visafreiheit. Auch das Interesse an dem neuen Reiseland Georgien war groß und es gab keinerlei Restriktionen.



Jedoch hat sich seit 2020 alles drastisch geändert. Die Einreiseregeln waren unklar und änderten sich ständig, Flüge wurden gecancelt, verlegt oder abgesagt. Es war ungewiss, ob der Flug überhaupt stattfinden würde. Der Gesundheitsstatus wurde reiseentscheidend und es war fraglich, ob man in einem Monat überhaupt gesund und mit den nötigen Dokumenten einreisen konnte. Was passiert, wenn man in Georgien auf einmal positiv getestet wird oder krank wird? Muss man dann in Quarantäne? Für unsere Gäste und uns Reiseveranstalter war diese Zeit sehr schwierig und absurd.

Mittlerweile hat sich das Reiseverhalten der Deutschen jedoch geändert. Viele planen nicht mehr langfristig, sondern spontan und kurzfristig. In den deutschen Medien wird viel über Georgien berichtet, jedoch auch oft besonders abschreckend über normale gesellschaftliche Konflikte, was potenzielle Reisende abschrecken könnte. Die Europäer richten ihren Fokus eher auf vermeintlich sichere Reiseziele wie Paris, Rom oder das Umland. Zudem sind die Flugpreise stark gestiegen und der Euro hat gegenüber dem Lari rund 30 bis 35% verloren, was die Kosten für die Reisenden und uns als Veranstalter erhöht.

Als Reiseveranstalter haben wir mit diesen Herausforderungen zu kämpfen. Wir müssen die Preise erhöhen, um unsere Kosten zu decken und dabei noch Gewinn zu machen. Manche Kunden in Deutschland empfinden dies als unangemessen, da sie im Supermarkt sehen, dass alles teurer wird.

Für uns ist die Situation schwierig, denn wir benötigen Planbarkeit. Unsere Reisen sind nur dann rentabel, wenn sie gut gebucht sind. Wenn wir beispielsweise nur zu 70% ausgebucht sind, dann verdienen wir kein Geld. Im schlimmsten Fall machen wir sogar Verlust. Wir befinden uns jetzt im vierten Jahr, in dem die Situation schwierig ist. 2020 war ein schlechtes Reisejahr, 2021 war ebenfalls schlecht, 2022 war schlecht und auch 2023 wird schlecht sein. Nur diejenigen, die es irgendwie geschafft haben, haben überlebt. In der Zwischenzeit haben sich viele kleine, spezialisierte Reiseunternehmen in Georgien neu gegründet, die uns Marktanteile streitig machen und uns zwingen, uns ständig weiterzuentwickeln und uns neu anzupassen. Durch den Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien tauchen negative Nachrichten in den deutschen Medien auf, was die Lage unsicher erscheinen lässt und viele Leute davon abschreckt, in diese Region zu reisen. Das ist momentan unser Dilemma, mit dem wir kämpfen, mit vielen verschiedenen Faktoren, die das Reisen erschweren oder unsicher erscheinen lassen. In Georgien sagt man, dass nach sieben guten Jahren, sieben schlechte Jahre folgen.

Andererseits haben wir auch Gäste, die uns Reiseangebote aus 2020, 2021 oder 2022 vorlegen, die damals nicht kommen konnten und jetzt sagen: "Wir haben hier ein Angebot von Ihnen vorliegen, können Sie das bitte aktualisieren, denn wir möchten jetzt in 2023 endlich unsere lang geplante Reise nachholen?" Solche Gäste gibt es natürlich auch, die das damals nur aufgeschoben haben und jetzt mit uns reisen möchten.

Ralph Hälbig: Wie denkst du, wird sich das Reiseverhalten in Zukunft verändern? Möchten die Reisenden vermehrt eine Reiseagentur als Berater und Unterstützer oder eher ein Komplettpaket mit Rundum-Betreuung? Welche Wünsche äußern die Reisenden bezüglich ihrer Reise nach Georgien?

Hans Heiner Buhr: Bezüglich des Reiseverhaltens der Georgiengäste möchte ich sagen, dass sich dieses stetig ändert und in Bewegung bleibt. Insgesamt werden die Wünsche und Anforderungen der Menschen immer individueller, da niemand mehr eine standardisierte Reise möchte. Jeder möchte das Besondere erleben und es selbst entdecken, anstatt es vorgesetzt zu bekommen. Daher passen wir unsere Reiseangebote stark an die individuellen Wünsche unserer Gäste an. Wir haben auch festgestellt, dass Gäste sich spontaner entscheiden, jedoch trotzdem intensiv durch Reiseliteratur und das Internet recherchieren, um sich auf ihre Reise vorzubereiten.

Die Ansprüche unserer Gäste werden immer höher, insbesondere was die Qualität der Unterkünfte und des Services betrifft. In Georgien möchte man keinerlei Abstriche mehr machen und erwartet den besten Service und die beste Qualität in Bezug auf Betten, Zimmer und Frühstück.

Was suchen die Gäste in Georgien? Viele suchen nach unberührter Natur und sind von der Vielfalt, die Georgien zu bieten hat, überrascht. Aber auch das pulsierende Stadtleben, insbesondere in der Hauptstadt Tiflis, Kutaissi und Batumi, zieht die Gäste an. Die Gastronomie, Cafés und das Nachtleben sind ebenfalls von großem Interesse.

Viele Gäste möchten im Urlaub auch Luxus genießen und suchen nach 4- oder 5-Sterne-Hotels mit Pool.

Wir stellen auch fest, dass es Reisende gibt, die in ihrem Urlaub weniger Stationen aufsuchen möchten, dafür aber die Gegend besser und intensiver erkunden möchten. Die Weinregion Kachetien bietet sich beispielsweise für sternförmige Tagesausflüge sehr gut an, ebenso wie Tuschetien und Swanetien.

Andererseits gibt es vor allem auch jüngere Gäste, die ihren Urlaub möglichst intensiv erleben möchten und viel in einen kürzeren Zeitraum packen möchten. Es gibt sogar Gäste, die die drei Länder Aserbaidschan, Georgien und Armenien in 10 oder 12 Tagen sehen möchten, obwohl wir für die drei Länder eher mindestens 14 bis 16 Tage empfehlen.

Insgesamt habe ich den Eindruck, dass Gruppenreisen an Popularität verlieren und dass unsere Gäste lieber in kleinen Gruppen oder mit Freunden und Familie unterwegs sind. Oft fragen unsere Gäste beispielsweise nach dem Alter und Geschlecht der anderen Reisenden, obwohl wir das zum Teil gar nicht wissen und auch nicht mitteilen möchten.

Ralph Hälbig: Wie lautet das Feedback deiner Gäste und welche Eindrücke von Georgien nehmen sie mit nach Hause?

Hans Heiner Buhr: Wir beobachten auch, dass sich immer mehr Singles bei uns melden, die auf der Suche nach interessanten Gruppenaktivitäten sind. Dabei werden auch immer ausgefallenere Wünsche geäußert, wie zum Beispiel themenorientierte Reisen wie Eisenbahntouren, Pilzsammeltouren, Eselwanderungen oder Arbeit auf einer Farm oder Ranch. Hier hat Georgien noch viel Potenzial, um neue Produkte und Reisen anzubieten. Allerdings stellt sich auch immer die Frage nach der Wirtschaftlichkeit solcher Angebote.

In Bezug auf das Feedback unserer Gäste können wir sagen, dass es oft positiv ausfällt. Viele Gäste kommen immer wieder nach Georgien oder in den Kaukasus und möchten dann andere Facetten des Landes erleben. Sie können dabei schon viel besser einschätzen, was sie gerne möchten, weil sie das Land nun schon gut kennen.

Natürlich gibt es auch kritische Rückmeldungen und wenn etwas fehlt, melden sich die Gäste häufig schnell über WhatsApp oder einen Anruf bei uns. Wir helfen dann gerne dabei, den Kritikpunkt aufzuheben und den Service zu verbessern, zum Beispiel im Hotel oder an anderen Orten.

Ralph Hälbig: Hast du eine besondere Anekdote von einem Reisenden im Gedächtnis, die du gerne mitteilen möchtest?

Hans Heiner Buhr: Wir erzählen immer wieder gerne die Anekdote von zwei Gästen, die sich während unseres Reiseklassikers "Frühstück im Kaukasus" kennengelernt und ineinander verliebt haben. Nach zwei oder drei Jahren haben sie die Reise gemeinsam als Ehepaar wieder mit uns durchgeführt und waren auch beim zweiten Mal total begeistert von unseren Reiseleitern David und Eka. Eine andere Geschichte: "Ein Ehepaar hatte eine Autopanne in Vashlovani, an einem der wenigen entlegenen Orte ohne Netzempfang. Der Mann kletterte auf einen Berg in der Nähe und konnte uns dann am Abend endlich erreichen. Wir sendeten einen Abschleppwagen in die Gegend, der dann natürlich prompt auch keinen Netzempfang mehr hatte und so war untereinander und mit uns keine Kommunikation mehr möglich. Doch wie durch ein georgisches Wunder trafen sie sich plötzlich und wurden glücklich abgeschleppt, es war dann mittlerweile gegen 0.00 Uhr nachts. Alle waren glücklich."

Ralph Hälbig: Deine ersten Reisen - Ende der 90iger Jahre - hast du ja in deiner Ferienzeit (du warst Deutsch-Lehrer in einer Schule in Tbilisi) nebenher organisiert. Dabei hast du vor allem bewusst die Unwägbarkeiten einer Abenteuerreise gesucht und Reisende quasi eingesackt. Meinst du, dass man so etwas auch heute noch anbieten kann, und dass man den Menschen vermitteln kann, sich auf diese spontane und ungewisse Art auf eine andere Kultur einzulassen? Gibt es Bedürfnisse in diese Richtung, oder ist das für die Reisenden eher zu vage, sich darauf einzulassen? In den 90er Jahren und Anfang der 2000er Jahre war alles in Georgien noch sehr wild! Eine überbordende und überraschende Gastfreundschaft konnte manchmal jeden Reiseplan über den Haufen werfen, oder die Wetter- und/oder damaligen Straßenverhältnisse hatten einen festgesetzt! Wie siehst du das heute mit der Gastfreundschaft in Georgien? Hat sich da etwas geändert?

Hans Heiner Buhr: Die wilden Zeiten sind leider vorbei. Georgien ist heute stabil und die Sicherheit der Gäste im Land hat höchste staatliche Priorität, was sich in neuen Standards, in Ausbildungskursen für touristische Berufe und auch in einer stärkeren Regulierung der Tourismusbranche zeigt. Jedoch laden die fantastischen Berge des Großen und Kleinen Kaukasus, entlegene Täler in Chewsuretien, Tuschetien, Ratscha und Adscharien wie eh und je zu abenteuerlichen Treckingtouren ein.

Das Bedürfnis nach individuell geführten, themenorientierten Kleingruppenreisen ist sicherlich noch vorhanden. Jedoch sind solche Reisen sehr aufwendig und müssen sowohl inhaltlich, programmatisch, als auch von der Dauer und dem Service her stimmig sein, um zu überzeugen. Folglich sind sie dementsprechend teuer und aufwendig zu organisieren, zu konzipieren und erfolgreich durchzuführen. Diese Reisen zu gestalten halte ich für die hohe Kunst des Tourismus. Zum Beispiel habe ich im Jahr 2013 eine sehr individuelle Kunstreise mit dem Kunstverein Schweinfurt erfolgreich durchgeführt und hätte durchaus Interesse, eine ähnliche Reise in neuer Form durchzuführen oder eine Reise in Georgien mit einem architektonischen Schwerpunkt aufzubauen und anzubieten.

Georgien hat in Bezug auf Gastfreundschaft und Tourismus in den letzten Jahren eine Professionalisierung erfahren. Dennoch ist es nach wie vor möglich, die herzliche Gastfreundschaft der Georgier zu erleben, jedoch abseits der touristischen Hotspots in den abgelegeneren Regionen des Landes. Besonders erfreulich ist, dass immer mehr junge Georgier sehr gut Englisch und auch Deutsch sprechen und somit ihre Heimat authentisch und leidenschaftlich präsentieren können. In manchen Fällen machen sie dies sogar besser als zugereiste Deutsche.

Ralph Hälbig: Wo siehst du den Tourismus in Georgien in den nächsten zehn Jahren? Was wünschst du dir für die Zukunft des Tourismus in Georgien?

Hans Heiner Buhr: Ich denke, dass der Tourismus in Georgien in den kommenden Jahren sehr interessante Entwicklungen erfahren wird. Viele junge Georgier kehren aus dem Ausland zurück und bringen neue und frische Konzepte in Gastronomie, Hotel und Reisebranche mit, auf die wir "alten Tourismus-Haudegen" unter Umständen gar nicht kommen. Es gibt noch viele Ideen, die man umsetzen könnte.

Insbesondere möchten wir die drei Länder Georgien, Armenien und Aserbaidschan stärker miteinander verknüpfen und bieten unsere Reisen länderübergreifend an. Besonders unsere Selbstfahrerreisen können gut kombiniert werden, z.B. von Baku nach Batumi oder von Tiflis nach Jerewan, um die verschiedenen Kulturen kennenzulernen und zu vergleichen.


Längere Reisen sind auch gefragt. Ich kann mir gut vorstellen, dass man eine Wanderung von Lagodekhi nach Batumi anbieten könnte, abseits von belebten Straßen durch die Berge, oder auch Reittouren, die das Außergewöhnliche bieten. Außerdem möchte ich unsere Radreisen empfehlen sowie unseren Klassiker "Frühstück im Kaukasus", der bis heute zu unserer besten und schönsten Kleingruppenreise in Georgien gehört.

Ralph Hälbig: Wie willst du eigentlich demnächst deine touristischen Konzepte verändern und weiter entwickeln? Was sind deine nächsten Pläne?

Hans Heiner Buhr: Ich habe schon vor drei bis vier Jahren eine Reise konzipiert, die den Kaukasus einmal komplett umrundet. Von Tiflis über die georgische Heerstraße nach Stepantsminda, von dort nach Wladikawkas, weiter nach Grosny, quer durch Dagestan bis nach Machatschkala und schließlich nach Süden über die aserbaidschanische Grenze nach Baku. Von dort aus geht es nordwestlich entlang der alten aserbaidschanischen Seidenstraße, durch Scheki nach Lagodechi und schließlich zurück nach Tiflis. Diese Reise könnte man gut als geführte Tour mit Geländewagen oder als Selbstfahrerreise machen - sobald das nach dem Krieg wieder möglich ist.

Mein Traum bleibt das grenzenlose Reisen im Kaukasus. Ich wünsche mir, dass man eines Tages alle Gebiete der kaukasischen Länder ohne schwierige politische Grenzen bereisen kann.

Mehr zu Kaukasus-Reisen:

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Friday, October 16, 2020

INTERVIEW: Historiker Philipp Ammon zu Bergkarabach-Konflikt: "Ohne Großmächte kein Frieden". Von André Ballin via derStandard.at

[derstandard.deDer Streit um die Kaukasusregion ist nicht neu. Philipp Ammon spricht über Hintergründe und Geschichte eines in Europa weitgehend unbekannten Konflikts

INTERVIEW André Ballin 15. Oktober 2020

Philipp Ammon
Der am Wochenende geschlossene Waffenstillstand hat die Kriegshandlungen im Kaukasus bislang nicht stoppen können. Immer noch kämpfen Eriwan und Baku verbissen um jeden Meter in der umstrittenen Region, die mehrheitlich von Armeniern bewohnt wird, völkerrechtlich aber zu Aserbaidschan gehört. Warum das so ist und warum die Region bei der Lösung des Problems in Richtung Schweiz schauen sollte, erklärt der Kaukasus-Experte Philipp Ammon.

STANDARD: Tschetschenien-Krieg, Abchasien-Krieg, Südossetien-Konflikt, Bergkarabach-Krise: Das Wort Kaukasus löst oft Kriegsassoziationen aus. Ist der Kaukasus historisch tatsächlich eine besonders umkämpfte Region?

Philipp Ammon: Durch den Kaukasus laufen seit jeher viele Handelsrouten. Neben der bekannten Seidenstraße ist der Kaukasus auch im Nord-Süd-Verkehr ein Knotenpunkt. Die strategisch wichtige Lage weckte einst das Interesse gleich dreier Machtzentren, die dort um die Vorherrschaft stritten: im Südosten die Perser, im Südwesten zunächst das Römische, dann das Byzantinische und später das Osmanische Reich und im Norden dann auch das Russische Reich. So mussten sich die Bewohner stets nach außen militärisch schützen. Dadurch ist eine wehrhafte Mentalität entstanden.

STANDARD: Warum liegt das von Armeniern bewohnte Bergkarabach überhaupt in Aserbaidschan?

Ammon: Bis zum Vertrag von Turkmantschai 1828 gab es das ethnisch sehr durchmischte Khanat Karabach. Später nahm der Anteil der Armenier deutlich zu, weil sie vor Verfolgungen im Perserreich und dem Osmanischen Reich nach Russland flüchteten. Diese Homogenisierung setzte sich zu Sowjetzeiten fort.

STANDARD: Trotzdem wurde die Region Aserbaidschan zugeschlagen. Warum?

Ammon: Damit sollte der Kaukasus insgesamt fester an die Sowjetunion gebunden werden. Das Matrjoschka-Prinzip, in der jede Republik noch einmal in autonome Gebiete unterteilt wurde, sollte nationale Sezessionsbewegungen erschweren. Diese bewusste Verknäuelung diente dem Prinzip "Teile und herrsche".

STANDARD: Wo liegen die Ursachen des Bergkarabach-Konflikts?

Ammon: Erste Massaker zwischen Armeniern und Aserbaidschanern gab es schon zu Zarenzeiten. Sie waren religiös, aber auch sozial bedingt, weil Armenier aufgrund ihres Bildungsdrangs schneller aufstiegen als ihre Nachbarn. Das weckte Neid.

Aber Ursache des aktuellen Konflikts ist eben die sowjetische administrative Verschachtelung, die Ende der 1980er-Jahre in vielen Republiken zu ethnischen Konflikten führte. Die Armenier baten in Moskau um die Übergabe Bergkarabachs, was in Aserbaidschan natürlich nicht gut ankam. Es folgten die Pogrome in Sumgait 1988 und in Baku 1990 an der armenischen Minderheit. Auf der Gegenseite verübten Armenier 1992 in Chodschali ein Massaker an Aserbaidschanern. Seither sehen sich beide Völker als Todfeinde. Ohne Willen der Großmächte ist kein Frieden möglich.

STANDARD: Welche Rolle spielen Moskau, Ankara und Teheran?

Ammon: Die Türkei unterstützt Aserbaidschan seit Jahren unter der Losung "Ein Volk, zwei Staaten". Jetzt ist die Hilfe offener denn je, wohl auch, um von eigenen inneren Problemen abzulenken und die sinkende Popularität von Tayyip Erdoğan zu festigen. So liefert Ankara die Bayraktar-Drohnen, wohl einige Militärberater und lässt syrische Kämpfer in das Konfliktgebiet passieren.

Russland wiederum versteht sich als traditionelle Schutzmacht Armeniens, wird aber nicht automatisch militärisch auf Eriwans Seite eingreifen. Moskau will vor allem den Südkaukasus als Einflusssphäre nicht verlieren. Dazu setzt der Kreml auf gute Beziehungen zu Eriwan und Baku. Zum Konflikt beigetragen hat Russland durch den eifrigen Waffenverkauf in die Region – an Aserbaidschan zum Weltmarktpreis, an Armenien zum Selbstkostenpreis. Der Iran hat historisch enge Bindungen zu Aserbaidschan, hilft aber im Konflikt eher Armenien, weil Teheran bei einem Erstarken Aserbaidschans Abspaltungsbestrebungen der aserbaidschanischen Minderheit im eigenen Land fürchtet.

STANDARD: Ist noch jemand involviert?

Ammon: Die USA und Israel wollen in den Iran hineinhorchen und haben daher in Aserbaidschan Interessen. Auch darum hat Israel die Harop-Drohnen an Baku geliefert. Die Drohnen sind die technologische Basis für den aserbaidschanischen Vorstoß in Bergkarabach, denn die Kampfkraft der aserbaidschanischen Armee schätze ich schwächer als die der armenischen ein, weil die Staatsbindung der Aserbaidschaner geringer ist und ihre Motivation zu kämpfen auch.

STANDARD: Gibt es denn eine Lösung für den Konflikt?

Ammon: Das beste Modell für den gesamten Kaukasus, nicht nur für Bergkarabach, wäre wohl eine Kantonslösung à la Schweiz, wonach jedes Sprachgebiet sich möglichst weit selbst verwaltet und der Kaukasus insgesamt eine Föderation bildet. Das erfordert aber viel guten Willen und Druck von außen, denn untereinander sind Armenier und Aserbaidschaner derzeit nicht kompromissfähig. Derzeit ist so etwas sehr unwahrscheinlich, auch weil Russland und die Türkei keine langfristige Strategie haben, sondern eher situationsgebunden reagieren. (André Ballin, 15.10.2020)

Wednesday, August 12, 2020

REISEBUCH: 40 Tage Aserbaidschan – Unterwegs zwischen Kaukasus und Kaspischem Meer. Von Constanze John

»Jeder sagt etwas anderes über Aserbaidschan. Und kaum einer war dort. (...) Für mich ist die Reise beschlossene Sache. Ich werde alles mit eigenen Augen sehen.«

Nach ihren Reisen durch Armenien und Georgien ist nun Aserbaidschan, gelegen zwischen Kaspischem Meer und Kaukasus, das Ziel von Constanze John. Es ist ihre eigentlich erste Reise durch den Orient. Eigentlich, da sie bereits als Kind durch das Vorlesen ihrer Mu&er durch den Orient gereist ist und sie bis heute Geschichten liebt. Constanze John möchte einen persönlichen Blick auf das Land werfen und vollendet mit 40 Tage Aserbaidschan – Unterwegs zwischen Kaukasus und Kaspischem Meer ihre Südkaukasus-Trilogie. 

In Aserbaidschan leben über 10 Millionen Einwohner auf einer Gesamtfläche von 86.600 Quadratkilometern. Von der Hauptstadt Baku aus startet die Autorin in die einzelnen Regionen des Landes: "Endlich kommt die Silhouette der Zwei-Millionen-Stadt Baku in unser Blickfeld. Kaum vorzustellen, dass dies noch vor zweihundert Jahren eine Stadt in der Wüste gewesen sein soll." Ihre Reise führt sie von der dortigen Glitzerwelt zu mystischen Welterbestätten und beeindruckenden Nationalparks. Sie erlebt einen Schmelztiegel von Nationen und Kulturen, eine Mischung aus Orient und Sowjetvergangenheit.

Die Autorin erlebt eine große Gastfreundschaft und beschenkt den Leser mit tiefen Einblicken in ein Land zwischen Orient und Okzident. 40 Tage Aserbaidschan – Unterwegs zwischen Kaukasus und Kaspischem Meer gibt erstmals Innenansichten nicht nur von der Geschichte und Kultur, sondern auch von Spiritualität und Alltag des Landes wieder.

Constanze John, 1959 in Leipzig geboren, studierte Germanistik, Geschichte und Pädagogik und absolvierte ein Fernstudium am Literaturinstitut in Leipzig. Sie schreibt als Autorin für Theater, Oper und Hörfunk. Für ihr Schreiben wurde sie mit dem renommierten Johann-Gottfried-Seume-Literaturpreis ausgezeichnet. Im DuMont Reiseverlag sind bisher 40 Tage Armenien (2015) und 40 Tage Georgien (2018) erschienen.

Constanze John: 40 Tage Aserbaidschan – Unterwegs zwischen Kaukasus und Kaspischem Meer
386 Seiten, Format 13,5 x 21,0 cm
Preis: € 16,95 (D) / 18,50 (A) / 23,90 (CH)
ISBN: 978-3-7701-8299-2
Erscheinungstermin: 08. September 2020

Natalie Pilz
Presse und Öffentlichkeitsarbeit
DuMont Reiseverlag
n.pilz@mairdumont.com
Tel.: 0711 4502-4242
www.dumontreise.de

Sunday, May 03, 2020

VIDEO: Grenzenlos - Unterwegs mit Kaukasus-Reisen in Georgien, Armenien, Aserbaidschan. via @kaukasus-reisen

Ein Menschenleben später begeben sich 3 Freunde aus dem Kaukasus auf einer Reise. Ein Featurefilm der Reiseagentur Kaukasus-Reisen. Grenzenlos Reisen in Georgien, Armenien und Aserbaidschan - nach Corona.

Mit Bukhuti Papuashvili, Levon Ishkhano & Farik Aliev.
Musik & Musikanten: Ramizi Shubitidze & Rostomi Kirkitadze (GEO), Trio Aguas (ARM), Alafsar Rahimov & Shahriyar Imanov (AZE)

Wednesday, December 04, 2019

VORTRAG und DISKUSSION: Baku - Die Rückkehr der "Potemkin’schen Stadt"?

Baku als Stadt Symbol für die Souveränität, Modernisierung und den wirtschaftlichen Aufschwung. Eine kritische Auseinandersetzung des Konzepts der „Potemkin'schen Stadt" Sehr geehrte Damen und Herren, auf der nächsten Sitzung unseres Kolloquiums am 05.12. 2019 wird Dr. Sascha Roth, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Max-Planck- Instituts für ethnologische Forschung in Halle, referieren.

Das Thema seines Vortrags lautet:

"Die Rückkehr der „Potemkin’schen Stadt“? – Zur sozialen und politischen Bedeutung von Fassaden am Beispiel von Baku" Worum soll es gehen?

Die Stadt Baku erlebt seit Jahren eine materielle Transformation gigantischen Ausmaßes – ebenso wie viele andere Hauptstädte früherer Sowjetrepubliken in Zentralasien und dem Kaukasus. Dabei ist die Stadt Symbol für die Souveränität, Modernisierung und den wirtschaftlichen Aufschwung der heute unabhängigen Republik geworden. Fassaden, im wörtlichen wie übertragenen Sinne, spielen dabei eine zentrale Rolle. Der Vortrag diskutiert die gesellschaftliche Bedeutung von Fassaden und verschiedener Strategien nationaler und kultureller Repräsentation. Gleichzeitig wird beleuchtet, wie lokale Konzepte von Fassaden und daran geknüpfte normative und moralische Vorstellungen die soziale Interaktion im Alltag von Familien, Nachbarn und anderen Gruppen beeinflussen. Schließlich setzt sich der Vortrag kritisch mit der Frage auseinander, ob das Konzept der „Potemkin'schen Stadt" (Loos 1898) als vergleichende Kategorie postsozialistischer Stadtforschung zu einem alternativen Verständnis gesellschaftlicher und politischer Prozesse in der Region beitragen kann. (Zitat aus dem Forschungsprojekt)

Ort der Veranstaltung:
Friedrichstraße 191, 10099 Berlin, 5. Stock, Raum 5008 (Institut für Geschichtswissenschaften)

Zeit:
Donnerstag, 05. Dezember 2019, 18:00- 20:00 Uhr. Veranstalter: Lehrstuhl Geschichte Aserbaidschans an der Humboldt Universität zu Berlin

Wir würden uns sehr freuen Sie bei der Veranstaltung begrüßen zu dürfen!
Beste Grüße

Dr. Rasim Mirzayev
Humboldt-Universität zu Berlin
Philosophische Fakultät I
Institut für Geschichtswissenschaften
Friedrichstraße 191
10099 Berlin
Tel: (0049)30 209370554
Mobil: (0049) 162 7912378
E-Mail: rasim.mirzayev@hu-berlin.de
Links: www.eurokaukasia.de
geschichte.hu-berlin.de/dr.-rasim-mirzayev

Monday, February 04, 2019

VIDEO: "The Last Jew in the Village". By Rufat Asadov

"Последний еврей в деревне" (Russian version): https://youtu.be/JlBEKoFt59g



Abandoned village. This is a village founded by mountain Jews in Azerbaijan in the 19th century. There is a Jewish cemetery near the village. An old man is working at the grave. He is watering a sapling and wiping the grave-stone. This is Meyer. He is the only Jew who stays in the village. There are his father's house, a small plot of earth and a household... He knows everything about this village. He remembers the persecution of the rabbinate in Soviet time, and the troubles of the 1941-1945 wartime, and the post-War years. He is a real living history of this village, and the only nexus between the Past of this Jewish village and the Present time. His parents and his wife and his neighbours as well are buried in this cemetery. He is all time looking after the graves, for they are not to be overgrown with weed and the grave-stones are not to be destroyed... He knows the life story of every Jew buried here indeed!

Friday, December 15, 2017

KONFERENZ: Massenauswanderung der Deutschen in ein muslimisches Land vor 200 Jahren - am 16./17. Dezember 2017 in Berlin, Humboldt-Universität Berlin

(eurokaukasia.de)

Pressemitteilung: Deutsche Migranten im Kaukasus
200 Jahre Deutsche Geschichte und Kultur im Heute
Einladung zur interdisziplinären Konferenz zum Thema
"Entgrenzung - Deutsche Migration nach und aus Kaukasien"


Von 1817 bis 1941 haben deutsche Siedler in Kaukasien - insbesondere im heutigen Aserbaidschan und Georgien - in wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht Spuren hinterlassen. Diese Spuren sind nicht nur im Alltag noch sichtbar, sondern werden auch in den neuen staatlichen Strukturen besonders gewürdigt. Die deutschen Migranten prägten besonders die Landwirtschaft - vor allem Weinbau – und die Industrie, besonders in den Bergwerken und der Erdölindustrie. Auch der Einfluss der deutschen Architekten zeigt sich immer noch im Stadtbild der Städte Tbilisi und Baku.

Dieses gemeinsame Erbe wird von Aserbaidschan, Georgien und Deutschland gepflegt und zu einem Dialog über Migration, Flucht, Vertreibung und Suche nach einer Beheimatung für alle Menschen in Kaukasien erweitert.

Die Konferenz mit Workshops dient dazu, die Geschichte der deutschen Migranten weiter aufzuarbeiten und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sie schließt sich an die im Februar 2017 mit großem Erfolg an der Humboldt-Universität gezeigten Ausstellung zum Thema "Entgrenzung – Deutsche auf Heimatsuche zwischen Württemberg und Kaukasien", anlässlich des 200jährigen Jubiläums der Ankunft deutscher Siedler in Südkaukasien, an. Die Themen werden nicht nur der deutschen Geschichte und Kultur im multiethnischen Umfeld Kaukasiens gewidmet sein, sondern auch der Fragen der Identitätsbildung und Integration von Kaukasusdeutschen nachgehen. Ziel ist es u.a. eine weitere Vernetzung deutscher und kaukasischer Initiativen zur gemeinsamen Erforschung und Digitalisierung kaukasusdeutscher Geschichte.

Dadurch, dass heute in Kaukasien wieder an Versöhnung, gute nachbarschaftliche Beziehungen, Toleranz und Kooperationen zwischen Staaten und Gesellschaften erinnert wird, gewinnt auch der ideelle Nachlass der deutschen Migranten immer mehr an Bedeutung.

Die Veranstaltung findet mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes statt. Sie wird organisiert durch den Kultur- und Wissenschaftsverein EuroKaukAsia e.V. und dem Lehrstuhl Geschichte Aserbaidschans an der Humbolboldt Universität zu Berlin in Kooperation mit dem Museum für Vor- und Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin und dem Deutschen Kulturforum östliches Europa.

Die Geschichte der deutschen Kolonisten in Aserbaidschan scheint aus heutiger Sicht ein unglaubliches Abenteuer zu sein.



Was waren die tatsächlichen Gründe für diese Migration und welche kulturhistorischen Folgen hatte sie?
Waren diese pietistischen Schwaben, wie manche behaupten, "Wirtschaftsflüchtlinge" oder eine verfolgte religiöse Minderheit?


Besessene Fanatiker und Idealisten oder aber ganz nüchterne, tüchtige Unternehmer?
Fromme Weltverbesserer und abenteuerlustige Vagabunden?

Mit diesen und anderen Fragen befassen sich die TeilnehmerInnen der internationalen Tagung zum Thema "Entgrenzung. Deutsche Migration nach und aus Kaukasien", auf die wir Sie hiermit aufmerksam machen möchten.

Wir laden alle Interessierten ganz herzlich zu dieser Veranstaltung an der HU in Berlin ein!

Tagung am 16./17. Dezember 2017 (Programm anbei [pdf])

Veranstaltungort:
Friedrichstrasse 191 – 193, 10117 Berlin-Mitte
7. Etage - Raum Germaine Tillion (Centre Marc Bloch)

Dr. Rasim Mirzayev
Geschäftsführer des Kultur und Wissenschaftsvereins EuroKaukAsia e.V.


Programm:

Samstag, den 16. Dezember 2017
Ort: Friedrichstrasse 191 – 193, 10117 Berlin-Mitte
7. Etage - Raum Germaine Tillion (Centre Marc Bloch)

10.00 – 10.20 Uhr Eröffnung

S.E. Ramin Hasanov, Botschafter der Republik Aserbaidschan in Deutschland (angefragt)

S.E. Ortwin Hennig, Botschafter a.D., Auswärtiges Amt (angefragt)

10.20 – 10.40 Uhr Einführungsvortrag

Kaukasusdeutsche und Deutsche in Südkaukasien als Gegenstand der Migrationsforschung?, Prof. Dr. Eva-Maria Auch (Berlin)

10.40 – 12.00 Uhr Panel I

"Glaube verbindet?" Zur Rolle des religiösen Faktors bei der Anwerbung Deutscher Württembergischer Pietismus und chiliastische Mentalität, Renate Föll (Museum Reutlingen)

Die Motive der zarischen Administration bei der Ansiedlung deutschen Pietisten in Südkaukasien, Dr. Ch. Verdiyeva (Baku)

Diskussion

12.00 – 13. 00 Uhr Mittagessen ("Maximilians")

13.00 – 15.00 Uhr Panel II

"Ein wirtschaftlich aktives Element und Vorbild für die Einheimischen"? Deutsche Unternehmer in Südkaukasien: die Aktivitäten der Firmen Mannesmann und Siemens, Prof. Horst Wessel (Düsseldorf)

Deutsche Architekten in Tbilisi, Prof. Dr. Maia Mania (Tbilisi)

Deutsche Maler in Südkaukasien, Dr. Manfred Nawroth (Berlin)

Diskussion

15.00 – 15.30 Uhr: Kaffeepause

15.30 – 17.00 Uhr Panel III

Zwischen Atempause und Deportation (1920/21 – 1941)

Die Deutschen in der sowjetischen Nationalitätenpolitik vor 1936, Dr. Dr. h.c. Alfred Eisfeld (Göttinger Arbeitskreis)

Die "deutsche Operation" in Georgien, Dr. Marc Junge (Bochum)

Die "deutsche Operation" in Aserbaidschan, Dr. Mamed Dschafarly (Staatliche Universität Baku)

17.00 – 19.00 Uhr Jahreshauptversammlung des Vereins "EuroKaukAsia e.V."

Sonntag, den 17. Dezember 2017

Ort: Friedrichstrasse 191 – 193, 7. Etage - Raum Germaine Tillion, 10117 Berlin-Mitte

9.30 – 10.30 Uhr Panel V: Zwischen Emigration - Deportation – Rehabilitierung und Aufarbeitung

Noch nicht rehabilitiert: Deutsche in der UdSSR und in der Russländischen Föderation, Dr. Viktor Krieger

Der Schmerz der Traumata bei Spätausgesiedelten, Dr. Sabine Arnold (SinNStiftung Nürnberg)

10.30 – 11.00 Uhr Kaffeepause

11.00 – 12.30 Uhr: Podiumsdiskussion: "Zwischen den Welten" - Identitäten und Erinnerungskulturen

Leben und Geschichtswissenschaften im Dialog: Podiumsdiskussion mit Nachfahren der Kaukasusdeutschen – Moderation: Dr. Rasim Mirzayev

12.30 – 13.30 Uhr Mittagspause

13.30 – 15.30 Uhr

Workshop: Zukunft erinnern, aber wie? – Erfahrungsberichte und Wissensvermittlung

Archivsituation (Olga Eisfeld, Odessa)
Familienforschung (Dr. Eduard Ohngemach, Göppingen)

Digitalisierung von Nachlässen und touristische Inwertsetzung deutschen Erbes (student. Projekte unter Leitung von Prof. Auch)

Zeitzeugenbefragung (James-A. Wehse, Berlin)

Öffentlichkeitsarbeit (u.a. Publikationsmöglichkeiten, Ariane Afsari, Potsdam)

Museumspädagogik (Dr. Nino Bakanidze, Tbilisi)

Veranstalter

Stiftungslehrstuhl "Geschichte Aserbaidschans", Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt Universität zu Berlin
Kultur- und Wissenschaftsverein "EuroKaukAsia e.V.


in Kooperation mit:

dem Museum für Vor- und Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin und dem Deutschen Kulturforum östliches Europa.

Mit finanzieller Unterstützung des Auswärtigen Amtes.

Um Anmeldung wird gebeten:

Kontakt:

Prof. Auch: auchevam@geschichte.hu-berlin.de oder eurokaukasia@t-online.de

Sekretariat:

Birgit Luschei
Email: LuscheiB@geschichte.hu-berlin.de
Telefon: (030)2093-70577
Fax: (030)2093-70655
Anreise mit U-Bahn: U2 bis Station Stadtmitte Per PkW: Parken in der Kronenstrasse oder Parkhaus Quartier 205, Einfahrt Taubenstrasse (kostenpflichtig) Leider können Reisekosten nur für die Referenten übernommen werden.


Weitere Links:
Ausstellungseröffnung: Deutsche auf Heimatsuche zwischen Württemberg und Kaukasien
Eva-Maria Auch, Manfred Nawroth: Entgrenzung - Deutsche auf Heimatsuche zwischen Württemberg und Kaukasien
Konferenz: Entgrenzung. Deutsche Migration nach und aus Kaukasien

Sunday, January 10, 2016

SÜD-KAUKASUS: Region Berg-Karabach - In einem Land, das es nicht gibt. Von Sven Töniges (deutschlandfunk.de)

(deutschlandfunk.de) Berg-Karabach, eine Region im Südkaukasus, ist seit fast 25 Jahren eine selbsternannte Republik. Seit Jahrhunderten streiten Armenier und die heutigen Aserbaidschaner um die Bergregionen. Bis 1994 wurde dort Krieg geführt, seitdem halten armenische Truppen Berg-Karabach und rund ein Sechstel Asaerbaidschans besetzt. Ein Lösung ist nicht in Sicht, eine Reise war es trotzdem wert.

Von Sven Töniges


Foto: Maxence Peniguet


"Oh, du geliebtes Heimatland", singen die Männer. "Oh, Ihr meine hohen Gipfel". Die geliebten hohen Gipfel: Das sind die Zweieinhalbtausender des Südkaukasus, die geliebte Heimat: Das ist Berg-Karabach. Rund 50 Männer sind an diesem Abend in die Stadt Shuschi gekommen, die allermeisten tragen Tarnfleck. Sie wollen ihre Heimat besingen - und ihre gefallenen Kameraden, mit denen sie gekämpft haben vor mehr als 20 Jahren. Der Besucher aus Deutschland wird etwas bestaunt. Nicht allzu oft kommen Touristen vorbei in ihrem schönen Land und in ihrem schönen Staat - den es eigentlich gar nicht gibt. Aber der Reihe nach.

Kommen Sie nach Berg-Karabach, hatte mir Herr Khachian gesagt auf der Tourismusmesse in Berlin. Einfach, weil es wunderschön dort ist, hatte er gesagt. So ähnlich wie in der Schweiz. "Karabach – Ein versteckter Schatz", und: "Ein unentdeckter Schatz", stand auf den Prospekten, die mir Herr Khachian in die Hand drückte.

Berg-Karabach, oder: Nagorny-Karabach. Da ist ein leises Echo irgendwo aus den Nachrichten der frühen 90er-Jahre; irgendwas mit Kaukasus kommt einem da in den Sinn. Irgendwas mit der kollabierenden Sowjetunion. Einer dieser sowjetischen Nachfolgekriege, für die sich Europa bald nicht mehr interessierte. Wie in der Schweiz also soll es dort sein, in Berg-Karabach.

Ein paar Wochen später überreicht mir der nette Beamte ein Visum der Republik Nagorny-Karabach. Rund fünf Stunden hatte das Sammeltaxi von Eriwan gebraucht über den mächtigen Worotan-Gebirgspass nahe der Grenze zum Iran. Ein unscheinbares Gebäude offenbart sich als Grenzstation. Eine große Schautafel heißt die Besucher willkommen: Republik Berg-Karabach, steht da. 140.000 Einwohner, zu 98 Prozent Armenier, Territorium: 12.000 Quadratkilometer.

Dieser Staat existiert nicht

Was hier nicht steht: Dieser Staat existiert nicht. Nicht nach Ansicht der Vereinten Nationen oder dem Europarat. Völkerrechtlich befinden wir uns in Aserbaidschan. Kein einziger Staat der Welt hat die Republik Berg-Karabach anerkannt - nicht einmal der große Bruder: Armenien. Dabei hatte Armenien zwischen 1992 und 1994 mit Aserbaidschan einen blutigen Krieg um die damalige Exklave Karabach geführt. Die Armenier siegten. Und doch traut sich Jerewan bis heute nicht, die Karabach-Republik anzuerkennen - geschweige denn sich einzuverleiben. Im gleichen Moment würde der Krieg wieder ausbrechen.

Das Taxi schraubt sich ein enges, satt grünes Tal hinauf. Die Straße ist gut ausgebaut. Der Asphalt ist frischer, die Leitplanken sind neuer als eben noch auf der armenischen Nationalstraße. Oben wartet Bergpanorama. Sanft geschwungene Kämme, dahinter felsige Gipfel. Die Schweiz? Kommt schon hin. Bergkarabach oder Nagorny-Kara-Bach: Das bedeutet wörtlich: der bergige schwarze Garten. Aus drei Sprachen speist sich der Name: Russisch, Türkisch und Persisch. Ein erster Hinweis darauf, dass diese Gegend stets Zankapfel der Großmächte war - und ist.

Was denn das für lange Metallseile seien, die da immer wieder über das Tal gespannt sind? Seilbahnen?, frage ich meinen Sitznachbarn. Nein, sagt er, das ist zur Abwehr von Hubschraubern. Dann ein Ortsschild: "Stepanakert". Hauptstadt der Republik Bergkarabach.

Perfektes sowjetisches Kleinstadt-Idyll

Gepflegte neoklassizistische Straßenlaternen aus der Sowjetzeit werfen ihr Licht auf besenreine Straßen; ein Väterchen mit Schirmmütze zieht akkurat einen Zebrastreifen nach. Uniformierte mit breiten Tellermützen schlendern rauchend die Straße entlang. Hie und da rollt ein Wolga oder ein Lada vorbei. Perfektes sowjetisches Kleinstadt-Idyll.

Auch nebenan auf der "Allee der Liebenden", einer etwas zu großzügig geratenen Freitreppe.

Hier stehen Artak Grigorian und seine Frau Gayane. Das Paar erwartet in drei Wochen die Geburt ihres ersten Kindes, erzählen sie. Sie sei sehr aufgeregt, sagt die 21-jährige Gayane. Sorgen, dass ihr Kind in einem Land aufwächst, das sich de jure im Kriegszustand befindet, habe sie nicht.

"Nein, natürlich nicht. Mag sein, dass man in Europa Bergkarabach mit Konflikt- und Krisengebiet gleichsetzt. Wir leben hier in unserer Heimat. Und wir leben in Frieden hier. Wir hoffen, dass unsere Kinder auch in Frieden leben werden."

Dass das so bleibt, dafür sorgt eine Armee mit geschätzten 30.000 Soldaten - und das bei gerade einmal 100.000 Einwohnern - eine wiederum geschätzte Zahl. Die real existierende Armee ist die größte Rückversicherung des Operetten-Staates Berg-Karabach. Alle anderen Institutionen haben nicht allzu viel zu melden: Nicht der international nicht anerkannte Präsident in seiner großen Residenz in Stadtzentrum, nicht das international nicht anerkannte Parlament im üppigen Neubau gegenüber.

Wahrlich präsidial ist indes auch das Büro von Sergey Shahverdiyan. Der Chef der Behörde für Tourismus und Erhaltung der historischen Umwelt der Republik Berg-Karabach hat mich geladen, um mir zu erklären, warum die Zukunft seines Landes im Tourismus liege. Vier Telefone stehen auf dem tiefen Schreibtisch. Sergey Shahverdiyan hat Großes vor. Er will den Tourismus zur Schlüsselindustrie seines Landes ausbauen, zum Hauptdevisenbringer. Ob das nicht etwas zu ehrgeizig sei, in einer Region, die wenn überhaupt nur als Krisengebiet bekannt ist?

Nein, sagt Herr Schahverdiyan, seit 1995 hole er jetzt schon Touristen ins Land. Noch sei nie jemand verletzt worden. "Berg-Karabach, das ist für Besucher sicherer als Berlin!"

4.000 Jahre Geschichte hat Herr Khachian in Berlin versprochen. Reiseführer Narek präsentiert nun eine der archäologischen Perlen von Berg-Karabach: die Ausgrabungen von Tigranakert rund eine halbe Autostunde von der Hauptstadt Stepanakert entfernt. Die archäologische Stätte liegt am Fuße eines Bergrückens. Ab hier erstreckt sich nur flaches Land, Steppe.

Diese Stadt wurde vom armenischen König Tigran dem Großen gebaut, erzählt Reiseführer Narek. Tigran regierte von 95 bis 55 vor Christus.

Die Bedeutung Tigrans, sagt Narek, könne nicht hoch genug geschätzt werden. Es sei der wichtigste Herrscher der armenischen Geschichte gewesen. Vom Mittelmeer bis zur kaspischen See erstreckte sich sein Reich. Armenien von Meer zu Meer, wurde es genannt.

Zu Sowjetzeiten, als das Gebiet zur aserbaidschanischen Sowjetrepublik gehörte, sei hier ein vermüllter Rastplatz gewesen. Nun steht, soeben fertiggestellt, eine aufwendig rekonstruierte Festung aus dem 17. Jahrhundert. Darin ein kleines Museum. Die ausgestellten Artefakte und die Schautafeln sollen belegen: Das hier ist armenisches Land. Seit 2.000 Jahren.

Agdam einst eine aserbaidschanische Stadt

Durch die Schießscharten des Mauerwerks eröffnet sich ein weiter Blick hinein in die Tiefebene. Wenige hundert Metern entfernt zeichnen sich Mauerreste ab. Grundmauern von Häusern sind zu erkennen, bei genauerem Hinsehen reichen sie bis zum Horizont? Noch eine antike Ausgrabungsstätte also? Durch das Tele der Kamera erkenne ich die Gerippe mehrerer Plattenbauten, die Silhouette zweier Türme, vielleicht Schornsteine; und rundherum die Ruinen über Ruinen. Hier muss einmal eine Großstadt gewesen sein. "Das ist militärisches Speergebiet", sagt Narek schmal-lippig und drängt zur Weiterfahrt. Was da im Hintergrund liegt ist Agdam, einst eine mittlere aserbaidschanische Großstadt, die 1993 von den Armeniern gebrandschatzt wurde.

Eine Autostunde später und drei Vegetationszonen höher. Ringsum falten sich dicht bewaldete Berge auf. Wie ein Tapete im Hintergrund: die firnbedeckten Dreitausender-Gipfel des Kleinen Kaukasus. Reiseführer Narek steht vor dem Kloster Gandzasar. 1216 gegründet als geistliches Zentrum des Fürstentums von Khachen. Heute residiert der Erzbischof von Nagorny-Karabach hier.

Dicke Mauern schützen die Klosteranlage. Über Jahrhunderte musste der Bau dem ständigen Hin-und-Her zwischen muslimischen und christlichen Eroberern im Südkaukasus trutzen. Der Kirchenbau ist eine mustergültige armenische Kirche mit einem polygonen, mittigen Turm.

Es sei einer der wichtigsten armenischen Sakralbauten des Mittelalters, erklärt Narek. Nun kämen jeden Sonntag um Elf die Gläubigen aus Berg-Karabach hierher, um zu beten. Für die Republik Berg-Karabach ist es ein geradezu mythischer Ort, erklärt Narek.

Ein breitschultriger Mann in tarnfarbener Uniform und mit gewaltigem Schnauzbart eilt herbei. Auf seiner Brust glänzen anderthalb Dutzend Orden. "Stendal!", ruft er und zeigt eine verblasste, diffuse Tätowierung auf dem rechten Unterarm.

Als junger Soldat sei er in Deutschland, in Stendal, stationiert gewesen. Dann zieht er einen Ausweis hervor. Die Mitgliedskarte der Union der Veteranen des Karabach-Krieges. Aragat Mkrtchyan steht da. Aber alle nennen ihn nur bei seinem Kampfnamen: Bondo. Dass er heute mit einigen Kameraden auf dem Klosterberg sei, das habe Tradition, erklärt Bondo.

"Wir haben dieses Kloster verteidigt. Sie haben es immer wieder bombardiert. Die Aserbaidschaner griffen mit Suchoi-25-Kampfjets an. Gerade einmal eine Bombe traf, eine 500 Kilobombe, sie fiel auf das Haus da drüben. Aber: Sie explodierte nicht. Es ist ein Wunder. Wir waren nur ein paar Mann, auch der Priester hat mitgekämpft."

Reichlich Wodka und Tränen

Und heute Abend wollen Sie feiern, sagt Bondo. Veteranen des Karabach-Kriegs, Freiheitskämpfer, wie sie sich nennen, von überall her kommen sie heute Abend nach Shushi. Auf den Tag genau vor 23 Jahren hätten sie die Stadt von den Aserbaidschanern erobert. "Befreit", im hiesigen Sprachgebrauch. Deswegen wird heute ein Lamm geschlachtet. Dafür haben sie sich gerade im Kloster Gandzazar den Segen abgeholt. Ich bin eingeladen. Heute Abend in Shushi.

"Wach auf und sattel' dein weißes Pferd, ruf deine Kämpfer. Und rette dein schönes Heimatland."

Reichlich Wodka und Tränen fließen im Festsaal eines Hotels in Shushi. Rund 50 Veteranen, fast alle in Tarnfleck, sind gekommen. Das Lamm ist geschlachtet, alles was das Tier hergibt ist auf den Tisch gewandert; dazu reichlich Lavash, das dünne armenische Fladenbrot, Gurken, Tomaten und herber Ziegenkäse. Alles wird mit Wodka heruntergespült. General Varsham Gorian, Chef des Veteranen-Verbands, erhebt sein Glas.

"Uns allen ein glückliches Festmahl! Ehre sei unseren Kameraden. Ihr Blut war der Preis dafür, dass wir hier heute friedlich zusammensitzen dürfen. Zum Wohle! Glückwunsch. Auf den Frieden."

"Diese Männer hier haben an der Befreiung von Shushi teilgenommen. Shushi ist das Zentrum der armenischen Kultur. Armenien ist ein von Gott gemachter Himmel - und Shushi ist ein strahlender Stern darin. Unser Alphabet, das armenische Alphabet ist das Taschentuch Gottes. Noahs Arche ist auf dem Berg Ararat gestrandet, auf dem wichtigsten Symbol der armenischen Nation. Also hat die Geschichte mit dem armenischen Volk begonnen."

Shushi, oder Shusha, wie die Stadt auf Aserbaidschanisch heißt: In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1992 erklommen armenische Einheiten die Felsen um die 1.500 Meter hochgelegene Feste und überwältigten die aserbaidschanischen Truppen. Ein Wendepunkt des Krieges.

Der nächste Toast wird ausgebracht. Es gibt sehr gute Neuigkeiten, ruft einer der Veteranen. Der US-Bundesstaat Kalifornien habe Berg-Karabach als unabhängiges Land anerkannt!

Draußen vor der Tür ruht Shushi. Strahlender Stern im armenischen Himmel, so hatte der General die Stadt genannt. Strahlend: nicht der erste Begriff, der einem unterhalb des Hotels in den Sinn kommt. Graubraun die Häuser zu beiden Seiten der menschenleeren Straße. Bis auf das verblasste Rosa des einstigen Sowjetkinos. Dahinter, wie Ausrufezeichen, die Minarette einer in Trümmern liegenden Moschee.

Historisches Zentrum

Als Jerusalem des Kaukasus gilt Shusha beziehungsweise Shushi. Historisches Zentrum der aserbaidschanischen Kultur - und der armenischen. Hier konnte er lange besichtigt werden: der Kaukasus als Berg der Völker, als Nahtstelle zwischen Nord und Süd, Ost und West, Christentum und Islam. Doch immer wieder wurde die Stadt zerstört, wurde mal der armenische und mal der aserbaidschanische Teil der Bevölkerung vertrieben oder gar massakriert. Nun, seit dem letzten Krieg. Ist Shushi - so wie ganz - Berg-Karabach rein armenisch. Ethnisch bereinigt, wenn man dieses Wort benutzen möchte.

"Oh, du geliebtes Heimatland, oh, Ihr meine hohen Gipfel", singen die Männer drinnen im Hotel Und doch schauen die meisten mit nachdenklichem, vor allem aber müdem Blick auf das Geschehen. "Heute Abend wollen wir nur an die schönen Dinge denken." Das sagt mir ein Veteran in Panzergrenadier-Uniform.

Auf dem Weg zurück ins Hotel nach Stepanakert. Gleich am Ortseingang ist ein Banner gespannt. Auf Russisch und auf Englisch ist es beschrieben, mehrsprachig, wie in der Schweiz: "Wir glauben an unsere Zukunft", steht da trotzig.

Informationen zu Reisen in die "Republik Berg-Karabach"

Das Auswärtige Amt rät von Reisen in die "Republik Berg-Karabach" ab. Entlang der Waffenstillstandslinie zu Aserbaidschan kommt es regelmäßig zu Schusswechseln und Scharmützeln, außerdem muss hier mit Minen gerechnet werden. Im Landesinneren war die Lage zum Zeitpunkt der Recherche ruhig.

Die Einreise nach Berg-Karabach ist nur über Armenien möglich. Aserbaidschan betrachtet Reisen ohne vorherige Zustimmung als illegal. Näheres dazu auf der deutschen Seite der Botschaft der Republik Aserbaidschan, Berlin.

Weitere Informationen bietet die Seite der Tourismusverwaltung von Berg-Karabach.