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Tuesday, May 16, 2023

Die Doukhobors in Georgien und ihre traditionelle Lebensweise in Gorelovka (Dschawachetien)

Von Ralph Hälbig; Fotografie von Natela Grigalashvili

Die Doukhobors sind eine christliche-spirituelle Sekte, die im 17. Jahrhundert in Russland entstand und eine pazifistische Gemeinschaft bildete. Zwischen 1898 und 1903 wanderten die meisten nach Kanada aus - unterstützt von Tolstoi und seinen Anhängern - um dem Militärdienst in Russland zu entgehen. Sie betonen einen gewaltfreien Widerstand, lehnen den Militärdienste ab und distanzierten sich vom Staat. Viele Doukhobors emigrierten aufgrund religiöser Verfolgung nach Kanada, wo sie in British Columbia leben. In Nordamerika waren sie berüchtigt für gewalttätige Handlungen, darunter Bombenanschläge und Brandstiftungen, die von einer radikalen Gruppe namens "Söhne der Freiheit" verübt wurden. Diese kleine extremistische Gruppe repräsentierte jedoch nicht die gesamte Doukhobor-Gemeinschaft. Meist zeichnen sich die Doukhobors durch eine einfache und gemeinschaftliche Lebensweise auf Basis von harter Arbeit aus. Trotz der negativen Berichterstattung in den Medien sind die Doukhobors bekannt als eine pazifistische und gesetzestreue Gemeinschaft.


Ihr Haupterwerbszweig ist die Landwirtschaft. In ihrer Gemeinschaft legen die  Doukhobors großen Wert auf Frieden, soziale Gerechtigkeit und Gleichheit. Ihre religiösen Praktiken umfassen gemeinschaftliches Gebet und das Singen. Heute engagieren sich die Doukhobors für Menschenrechte, Umweltschutz und sind als religiöse Gemeinschaft in Kanada anerkannt.

Auch in Georgien sind die Dukhobors eine orthodoxe Sekte, die an Pazifismus und Geschlechtergleichheit glaubt, die sich weigerte, zur russisch-orthodoxen Kirche überzutreten und Wehrdienst zu leisten. Von der Krim nach Georgien verbannt, gründeten sie dort mehrere Dörfer in der Region Dschawachetien. Viele leben in Gorelovka. Die Dukhobors sind bekannt für ihre gepflegten Häuser, farbenfrohe Gebäude und ihren tiefen Glauben. Diese religiöse Gemeinschaft praktiziert eine egalitäre Spiritualität und hat eine tiefe Verbindung zum Frieden. In den 1990er Jahren schrumpfte ihre Gemeinschaft aufgrund eines Exodus nach Russland - sie hegen nostalgische Gefühle für die Sowjetunion, in der sie Gleichberechtigung erfuhren.

Photobook: The Doukhobors’ Land. Photos: Natela Grigalashvili
Text: Damien Bouticourt

Gerade in Georgien bewahrten die Doukhobors ihre religiösen Überzeugungen und Traditionen. Sie haben auch ihren traditionellen Kleidungsstil beibehalten, der sich von der einheimischen Bevölkerung unterscheidet. Die Doukhobors in Georgien haben ihre landwirtschaftlichen Aktivitäten im Kaukasus spezifisch entwickelt und sind aktiv in sozialen und kulturellen Bereichen ihrer Gemeinschaft engagiert. Trotz der Herausforderungen und des geringen Interesses der Regierung hoffen die Dukhobors darauf, dass ihre Gruppe in Gorelovka an Stärke gewinnt und ihren vergangenen Status wiedererlangt.


Die Doukhobors in Georgien bewahren ihre traditionellen Lebensmittel- und Landwirtschaftspraktiken. Im Kaukasus gründeten sie ihre Siedlungen und konzentrierten sich auf Viehzucht, kultivierten ihren Kartoffel- und Weizenanbau und verwendeten dabei  besonders robuste Saatgutsorten. Sie pflegen enge Beziehungen zu anderen Einwohnern und tauschen Lebensmittel aus. 

Ihre traditionelle Ernährung umfasst Brot, Gerichte aus Gerstenmehl, Salamata, Kisel', kut'ia, Kulesh, lapshd, Piroggen, Kalachi und andere mit Mehl zubereitete Gerichte. Die Doukhobors verwenden Bohnenkraut zum Würzen von Suppen und zur Teezubereitung. Sie konsumieren fermentierte Getränke wie Kwas (Nussbier) und selbstgemachten Alkohol. Gemüse und Früchte wie Rüben, Radieschen, Karotten, Kohl, Gurken und Auberginen werden fermentiert oder eingelegt. Pilze wie Svinushki haben bestimmte heilende Eigenschaften. Hanf- oder Flachssamenöl wird zu Salaten hinzugefügt. Milchprodukte wie Butter, Käse, Milch und Sahne sind reichlich vorhanden. Fleischgerichte werden reichlich zubereitet und Fischgerichte mit Karpfen, Forelle und anderen Arten stehen auf dem Speiseplan. Der festliche Tisch ist während der Feiertage besonders reichhaltig und abwechslungsreich gedeckt. Die Doukhobors verstehen etwas von guter Ernährung. Auch das haben sie nicht verändert und verstehen es, an die nächste Generation weiterzugeben.

Weitere Links zu den Doukhobors in english: 

* Georgia's Dukhobors: An Orthodox Sect That Believes In Pacifism, Gender Equality. By Nadia Beard, Natela Grigalashvili

The Doukhobors' Land - Natela Grigalashvili 

Natela Grigalashvili: The Doukhobors’ Land 

"Natela Grigalashvili wurde im ländlichen Georgien geboren und erlangte nach ihrem Aufenthalt in der Hauptstadt ihre Meisterschaft durch harte Arbeit und Visionen. Da Natela ihr Kind großzog, war sie nicht in der Lage, Vollzeit Fotografie zu studieren. Sie besuchte Kurse, die in den damals bestehenden Fotosalons angeboten wurden, und war oft die einzige Frau im Raum. Später wurde sie die erste georgische Fotojournalistin. Auf diesem Weg ist Grigalashvili nie von ihrer künstlerischen Vision abgewichen, das darzustellen, was direkt vor ihren Augen verschwand: ein einst lebendiges und erfülltes Dorfleben und ländlicher Mikrokosmos sowie die nomadische Weltanschauung der georgischen Hochländer, die Grigalashvili vor vielen Jahren zu besuchen begann. Es ist so kraftvoll zu sehen, dass Grigalashvili endlich die internationale Anerkennung erhält, die sie verdient. Ich habe Natela kennengelernt, als ich 2017 an meinem Buch "King is Female" arbeitete, und die Gespräche, die wir in diesem einen Jahr geführt haben, dauern noch an." (Nina Mdivani)

* Russian Doukhobors in Canada 1. The Coming of the Doukhobors 

* Russian Doukhobors in Canada. 2. The Sons of Freedom’sProtest and Violence 

* Russian Doukhobors in Canada. 3. The Forced Assimilation ofChildren 

* Last Days of the Georgian Doukhobors. By Mark Grigorian 

* Georgia: The Last Collectiv Farm. By Olesia Vartanian

* Two Kristinas: The Fate and Future of Georgia’s Doukhobors. By Elene Shengelia, Lasha Shakulashvili 

* About History- The 'Spirit Wrestlers' of Georgia  

* Armenians and Doukhobors in Gorelovka, Georgia

* Georgia: Treatment of Doukhobors (Dukhobors) and stateprotection available to them 

* The Doukhobors of Gorelovka. Spiritual Warriors 

* Gorelovka – Sorrow of the Last of Doukhobors

* The Doukhobors of Gorelovka 

* Doukhobors 

* The Doukhobors: History, Ideology and the Tolstoy-VeriginRelationship by April Bumgardner 

* The Doukhobors of Georgia: traditional food and farming 

Dukhobors in Georgia:A Study of the Issue of Land Ownershipand Inter-Ethnic Relations in Ninotsminda rayon (Samtskhe-Javakheti). By Hedvig Lohm

Saturday, May 06, 2023

Interview mit Kaukasus-Reisen. Hans Heiner Buhr über seinen Traum vom grenzenlosen Reisen in dieser atemberaubenden Region.

Interview von Ralph Hälbig

Hans Heiner Buhr, ehemaliger Deutsch-Lehrer, jetzt Reiseunternehmer und Künstler in Georgien, gehört zu den Pionieren, die deutschsprachige Reisende mit kleinen Abenteuer-Reisen in diese Region gelockt haben. Anfangs begann er als Ein-Mann-Unternehmer zusammen mit lokalen Freunden und Familie in den späten Neunziger Jahren mit Kaukasus-Reisen ein feines, schmales Programm anzubieten. Sein Renner waren in dieser Zeit die Begleitung beim Viehabtrieb aus den hohen Bergen in Tuschetien hinunter in das Winterquartier der Schafherden. BjØrn Erik Sass schrieb darüber 2010 eine große Reportage in DIE ZEIT - Heute ist das Familienunternehmen mit knapp 10 Angestellten und freien Guides auf Reisen in Georgien und in die Nachbarländern im Kaukasus spezialisiert. Kaukasus-Reisen hat sein Programm wohlüberlegt erweitert und bietet maßgeschneiderte Touren und Rundreisen für Einzelpersonen, Paare und Gruppen an und legt dabei besonderen Wert auf Inhalte und Qualität statt Quantität.

Die Touren von Kaukasus-Reisen führen durch malerische Landschaften und bieten den Reisenden die Möglichkeit, die Kultur und Geschichte Georgiens, Armeniens und Aserbaidschans kennenzulernen. Zusätzlich zur Erkundung der Sehenswürdigkeiten werden traditionelle Gerichte und lokale Weine angeboten. Das Unternehmen arbeitet eng mit örtlichen Reiseführern und Hotels zusammen, um den Reisenden ein authentisches Erlebnis zu bieten und ihnen die Kultur und Mentalität der Kaukasier näherzubringen. Für alle, die neugierig sind und nach den schwierigen Corona-Jahren vorhaben, bald in diese Weltgegend zu reisen, dazu hier ein paar Antworten auf meine Fragen. Kaukasus-Reisen heißt euch willkommen!

Ralph Hälbig: Wie hat sich die Reisesituation in Georgien seit dem Ausbruch von Corona verändert und wie beeinflusst dies das Reiseverhalten? Sind bereits Anzeichen erkennbar, dass sich die Reiseaktivitäten trotz Inflation im Jahr 2023 wieder erholen werden?

Hans Heiner Buhr: Im Jahr 2018 sah es für deutsche Reisende in Georgien besonders vielversprechend aus: es gab zahlreiche günstige Flüge, die Buchmesse in Frankfurt und Leipzig mit ihrem Georgien-Spezial lockte viele Besucher an, der Euro war stark und es gab Visafreiheit. Auch das Interesse an dem neuen Reiseland Georgien war groß und es gab keinerlei Restriktionen.



Jedoch hat sich seit 2020 alles drastisch geändert. Die Einreiseregeln waren unklar und änderten sich ständig, Flüge wurden gecancelt, verlegt oder abgesagt. Es war ungewiss, ob der Flug überhaupt stattfinden würde. Der Gesundheitsstatus wurde reiseentscheidend und es war fraglich, ob man in einem Monat überhaupt gesund und mit den nötigen Dokumenten einreisen konnte. Was passiert, wenn man in Georgien auf einmal positiv getestet wird oder krank wird? Muss man dann in Quarantäne? Für unsere Gäste und uns Reiseveranstalter war diese Zeit sehr schwierig und absurd.

Mittlerweile hat sich das Reiseverhalten der Deutschen jedoch geändert. Viele planen nicht mehr langfristig, sondern spontan und kurzfristig. In den deutschen Medien wird viel über Georgien berichtet, jedoch auch oft besonders abschreckend über normale gesellschaftliche Konflikte, was potenzielle Reisende abschrecken könnte. Die Europäer richten ihren Fokus eher auf vermeintlich sichere Reiseziele wie Paris, Rom oder das Umland. Zudem sind die Flugpreise stark gestiegen und der Euro hat gegenüber dem Lari rund 30 bis 35% verloren, was die Kosten für die Reisenden und uns als Veranstalter erhöht.

Als Reiseveranstalter haben wir mit diesen Herausforderungen zu kämpfen. Wir müssen die Preise erhöhen, um unsere Kosten zu decken und dabei noch Gewinn zu machen. Manche Kunden in Deutschland empfinden dies als unangemessen, da sie im Supermarkt sehen, dass alles teurer wird.

Für uns ist die Situation schwierig, denn wir benötigen Planbarkeit. Unsere Reisen sind nur dann rentabel, wenn sie gut gebucht sind. Wenn wir beispielsweise nur zu 70% ausgebucht sind, dann verdienen wir kein Geld. Im schlimmsten Fall machen wir sogar Verlust. Wir befinden uns jetzt im vierten Jahr, in dem die Situation schwierig ist. 2020 war ein schlechtes Reisejahr, 2021 war ebenfalls schlecht, 2022 war schlecht und auch 2023 wird schlecht sein. Nur diejenigen, die es irgendwie geschafft haben, haben überlebt. In der Zwischenzeit haben sich viele kleine, spezialisierte Reiseunternehmen in Georgien neu gegründet, die uns Marktanteile streitig machen und uns zwingen, uns ständig weiterzuentwickeln und uns neu anzupassen. Durch den Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien tauchen negative Nachrichten in den deutschen Medien auf, was die Lage unsicher erscheinen lässt und viele Leute davon abschreckt, in diese Region zu reisen. Das ist momentan unser Dilemma, mit dem wir kämpfen, mit vielen verschiedenen Faktoren, die das Reisen erschweren oder unsicher erscheinen lassen. In Georgien sagt man, dass nach sieben guten Jahren, sieben schlechte Jahre folgen.

Andererseits haben wir auch Gäste, die uns Reiseangebote aus 2020, 2021 oder 2022 vorlegen, die damals nicht kommen konnten und jetzt sagen: "Wir haben hier ein Angebot von Ihnen vorliegen, können Sie das bitte aktualisieren, denn wir möchten jetzt in 2023 endlich unsere lang geplante Reise nachholen?" Solche Gäste gibt es natürlich auch, die das damals nur aufgeschoben haben und jetzt mit uns reisen möchten.

Ralph Hälbig: Wie denkst du, wird sich das Reiseverhalten in Zukunft verändern? Möchten die Reisenden vermehrt eine Reiseagentur als Berater und Unterstützer oder eher ein Komplettpaket mit Rundum-Betreuung? Welche Wünsche äußern die Reisenden bezüglich ihrer Reise nach Georgien?

Hans Heiner Buhr: Bezüglich des Reiseverhaltens der Georgiengäste möchte ich sagen, dass sich dieses stetig ändert und in Bewegung bleibt. Insgesamt werden die Wünsche und Anforderungen der Menschen immer individueller, da niemand mehr eine standardisierte Reise möchte. Jeder möchte das Besondere erleben und es selbst entdecken, anstatt es vorgesetzt zu bekommen. Daher passen wir unsere Reiseangebote stark an die individuellen Wünsche unserer Gäste an. Wir haben auch festgestellt, dass Gäste sich spontaner entscheiden, jedoch trotzdem intensiv durch Reiseliteratur und das Internet recherchieren, um sich auf ihre Reise vorzubereiten.

Die Ansprüche unserer Gäste werden immer höher, insbesondere was die Qualität der Unterkünfte und des Services betrifft. In Georgien möchte man keinerlei Abstriche mehr machen und erwartet den besten Service und die beste Qualität in Bezug auf Betten, Zimmer und Frühstück.

Was suchen die Gäste in Georgien? Viele suchen nach unberührter Natur und sind von der Vielfalt, die Georgien zu bieten hat, überrascht. Aber auch das pulsierende Stadtleben, insbesondere in der Hauptstadt Tiflis, Kutaissi und Batumi, zieht die Gäste an. Die Gastronomie, Cafés und das Nachtleben sind ebenfalls von großem Interesse.

Viele Gäste möchten im Urlaub auch Luxus genießen und suchen nach 4- oder 5-Sterne-Hotels mit Pool.

Wir stellen auch fest, dass es Reisende gibt, die in ihrem Urlaub weniger Stationen aufsuchen möchten, dafür aber die Gegend besser und intensiver erkunden möchten. Die Weinregion Kachetien bietet sich beispielsweise für sternförmige Tagesausflüge sehr gut an, ebenso wie Tuschetien und Swanetien.

Andererseits gibt es vor allem auch jüngere Gäste, die ihren Urlaub möglichst intensiv erleben möchten und viel in einen kürzeren Zeitraum packen möchten. Es gibt sogar Gäste, die die drei Länder Aserbaidschan, Georgien und Armenien in 10 oder 12 Tagen sehen möchten, obwohl wir für die drei Länder eher mindestens 14 bis 16 Tage empfehlen.

Insgesamt habe ich den Eindruck, dass Gruppenreisen an Popularität verlieren und dass unsere Gäste lieber in kleinen Gruppen oder mit Freunden und Familie unterwegs sind. Oft fragen unsere Gäste beispielsweise nach dem Alter und Geschlecht der anderen Reisenden, obwohl wir das zum Teil gar nicht wissen und auch nicht mitteilen möchten.

Ralph Hälbig: Wie lautet das Feedback deiner Gäste und welche Eindrücke von Georgien nehmen sie mit nach Hause?

Hans Heiner Buhr: Wir beobachten auch, dass sich immer mehr Singles bei uns melden, die auf der Suche nach interessanten Gruppenaktivitäten sind. Dabei werden auch immer ausgefallenere Wünsche geäußert, wie zum Beispiel themenorientierte Reisen wie Eisenbahntouren, Pilzsammeltouren, Eselwanderungen oder Arbeit auf einer Farm oder Ranch. Hier hat Georgien noch viel Potenzial, um neue Produkte und Reisen anzubieten. Allerdings stellt sich auch immer die Frage nach der Wirtschaftlichkeit solcher Angebote.

In Bezug auf das Feedback unserer Gäste können wir sagen, dass es oft positiv ausfällt. Viele Gäste kommen immer wieder nach Georgien oder in den Kaukasus und möchten dann andere Facetten des Landes erleben. Sie können dabei schon viel besser einschätzen, was sie gerne möchten, weil sie das Land nun schon gut kennen.

Natürlich gibt es auch kritische Rückmeldungen und wenn etwas fehlt, melden sich die Gäste häufig schnell über WhatsApp oder einen Anruf bei uns. Wir helfen dann gerne dabei, den Kritikpunkt aufzuheben und den Service zu verbessern, zum Beispiel im Hotel oder an anderen Orten.

Ralph Hälbig: Hast du eine besondere Anekdote von einem Reisenden im Gedächtnis, die du gerne mitteilen möchtest?

Hans Heiner Buhr: Wir erzählen immer wieder gerne die Anekdote von zwei Gästen, die sich während unseres Reiseklassikers "Frühstück im Kaukasus" kennengelernt und ineinander verliebt haben. Nach zwei oder drei Jahren haben sie die Reise gemeinsam als Ehepaar wieder mit uns durchgeführt und waren auch beim zweiten Mal total begeistert von unseren Reiseleitern David und Eka. Eine andere Geschichte: "Ein Ehepaar hatte eine Autopanne in Vashlovani, an einem der wenigen entlegenen Orte ohne Netzempfang. Der Mann kletterte auf einen Berg in der Nähe und konnte uns dann am Abend endlich erreichen. Wir sendeten einen Abschleppwagen in die Gegend, der dann natürlich prompt auch keinen Netzempfang mehr hatte und so war untereinander und mit uns keine Kommunikation mehr möglich. Doch wie durch ein georgisches Wunder trafen sie sich plötzlich und wurden glücklich abgeschleppt, es war dann mittlerweile gegen 0.00 Uhr nachts. Alle waren glücklich."

Ralph Hälbig: Deine ersten Reisen - Ende der 90iger Jahre - hast du ja in deiner Ferienzeit (du warst Deutsch-Lehrer in einer Schule in Tbilisi) nebenher organisiert. Dabei hast du vor allem bewusst die Unwägbarkeiten einer Abenteuerreise gesucht und Reisende quasi eingesackt. Meinst du, dass man so etwas auch heute noch anbieten kann, und dass man den Menschen vermitteln kann, sich auf diese spontane und ungewisse Art auf eine andere Kultur einzulassen? Gibt es Bedürfnisse in diese Richtung, oder ist das für die Reisenden eher zu vage, sich darauf einzulassen? In den 90er Jahren und Anfang der 2000er Jahre war alles in Georgien noch sehr wild! Eine überbordende und überraschende Gastfreundschaft konnte manchmal jeden Reiseplan über den Haufen werfen, oder die Wetter- und/oder damaligen Straßenverhältnisse hatten einen festgesetzt! Wie siehst du das heute mit der Gastfreundschaft in Georgien? Hat sich da etwas geändert?

Hans Heiner Buhr: Die wilden Zeiten sind leider vorbei. Georgien ist heute stabil und die Sicherheit der Gäste im Land hat höchste staatliche Priorität, was sich in neuen Standards, in Ausbildungskursen für touristische Berufe und auch in einer stärkeren Regulierung der Tourismusbranche zeigt. Jedoch laden die fantastischen Berge des Großen und Kleinen Kaukasus, entlegene Täler in Chewsuretien, Tuschetien, Ratscha und Adscharien wie eh und je zu abenteuerlichen Treckingtouren ein.

Das Bedürfnis nach individuell geführten, themenorientierten Kleingruppenreisen ist sicherlich noch vorhanden. Jedoch sind solche Reisen sehr aufwendig und müssen sowohl inhaltlich, programmatisch, als auch von der Dauer und dem Service her stimmig sein, um zu überzeugen. Folglich sind sie dementsprechend teuer und aufwendig zu organisieren, zu konzipieren und erfolgreich durchzuführen. Diese Reisen zu gestalten halte ich für die hohe Kunst des Tourismus. Zum Beispiel habe ich im Jahr 2013 eine sehr individuelle Kunstreise mit dem Kunstverein Schweinfurt erfolgreich durchgeführt und hätte durchaus Interesse, eine ähnliche Reise in neuer Form durchzuführen oder eine Reise in Georgien mit einem architektonischen Schwerpunkt aufzubauen und anzubieten.

Georgien hat in Bezug auf Gastfreundschaft und Tourismus in den letzten Jahren eine Professionalisierung erfahren. Dennoch ist es nach wie vor möglich, die herzliche Gastfreundschaft der Georgier zu erleben, jedoch abseits der touristischen Hotspots in den abgelegeneren Regionen des Landes. Besonders erfreulich ist, dass immer mehr junge Georgier sehr gut Englisch und auch Deutsch sprechen und somit ihre Heimat authentisch und leidenschaftlich präsentieren können. In manchen Fällen machen sie dies sogar besser als zugereiste Deutsche.

Ralph Hälbig: Wo siehst du den Tourismus in Georgien in den nächsten zehn Jahren? Was wünschst du dir für die Zukunft des Tourismus in Georgien?

Hans Heiner Buhr: Ich denke, dass der Tourismus in Georgien in den kommenden Jahren sehr interessante Entwicklungen erfahren wird. Viele junge Georgier kehren aus dem Ausland zurück und bringen neue und frische Konzepte in Gastronomie, Hotel und Reisebranche mit, auf die wir "alten Tourismus-Haudegen" unter Umständen gar nicht kommen. Es gibt noch viele Ideen, die man umsetzen könnte.

Insbesondere möchten wir die drei Länder Georgien, Armenien und Aserbaidschan stärker miteinander verknüpfen und bieten unsere Reisen länderübergreifend an. Besonders unsere Selbstfahrerreisen können gut kombiniert werden, z.B. von Baku nach Batumi oder von Tiflis nach Jerewan, um die verschiedenen Kulturen kennenzulernen und zu vergleichen.


Längere Reisen sind auch gefragt. Ich kann mir gut vorstellen, dass man eine Wanderung von Lagodekhi nach Batumi anbieten könnte, abseits von belebten Straßen durch die Berge, oder auch Reittouren, die das Außergewöhnliche bieten. Außerdem möchte ich unsere Radreisen empfehlen sowie unseren Klassiker "Frühstück im Kaukasus", der bis heute zu unserer besten und schönsten Kleingruppenreise in Georgien gehört.

Ralph Hälbig: Wie willst du eigentlich demnächst deine touristischen Konzepte verändern und weiter entwickeln? Was sind deine nächsten Pläne?

Hans Heiner Buhr: Ich habe schon vor drei bis vier Jahren eine Reise konzipiert, die den Kaukasus einmal komplett umrundet. Von Tiflis über die georgische Heerstraße nach Stepantsminda, von dort nach Wladikawkas, weiter nach Grosny, quer durch Dagestan bis nach Machatschkala und schließlich nach Süden über die aserbaidschanische Grenze nach Baku. Von dort aus geht es nordwestlich entlang der alten aserbaidschanischen Seidenstraße, durch Scheki nach Lagodechi und schließlich zurück nach Tiflis. Diese Reise könnte man gut als geführte Tour mit Geländewagen oder als Selbstfahrerreise machen - sobald das nach dem Krieg wieder möglich ist.

Mein Traum bleibt das grenzenlose Reisen im Kaukasus. Ich wünsche mir, dass man eines Tages alle Gebiete der kaukasischen Länder ohne schwierige politische Grenzen bereisen kann.

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Thursday, April 27, 2023

Wein in Georgien: Gleich zweimal im Mai - Zero Compromise & New Wine Festival im Mtatsminda Park in Tbilisi

Von Ralph Hälbig

Die Georgier sind wirkliche Kenner des Weins: "Guter Wein bringt das Beste in guten Menschen zum Vorschein", hört man es immer wieder, wenn man durch die Weingegenden im Kaukasus vagabundiert und im Marani (Weinkeller) hängenbleibt. Das größte Naturweinfest des Jahres in Georgien rückt immer näher. Am 05. und 6. Mai diesen Jahres präsentieren die renommiertesten Winzer aus unterschiedlichsten Regionen Georgiens ihre Naturweine (biologisch und zum Teil auch biodynamisch angebaut). Diese vielfältigen Aromen, gekeltert in den berühmten Qvevris (Tonamphoren) werden in der ehemaligen Seidenfabrik – N59 Kostava Street kredenzt. Wenn Sie einen unglaublichen Bio-Wein in Tbilisi probieren möchten, dann besuchen das Event Zero Compromise, das von der Natural Wine Association veranstaltet wird. Auswahlkriterium ist, dass die Trauben biologisch angebaut wurden und im Wein-Keller keine Hefen oder Sulfite hinzugefügt werden. Herauskommt ein reiner, unverfälschter Saft mit einem einzigartigen und teils ungewöhnlichem Geschmack. Ihr Geschmackshorizont wird erheblich erweitert - davon können sie ausgehen. Für die Georgier ist ihr Wein ein göttliches Getränk: 'unverfälscht und wahrhaftig und das seit 8 Jahrtausenden'.

Das "Zero Compromise" ist vor allem auch eine Naturweinmesse. Seit Jahren ist sie einer der wichtigsten Termine für diejenigen, die mit der spirituellsten und natürlichsten Seite des Weins in Verbindung bleiben möchten. Diese Messe ist auch die Gelegenheit für Fachleute, Sommeliers und Winzer aus aller Welt, sich mit den Menschen, Traditionen und Aromen eines authentischen Georgiens vertraut zu machen. Die wichtigsten und kompromisslosesten Winzer und Schöpfer spezieller Aromen - meist aus den knapp über 500 autochthonen und sehr alte Rebsorten - sind beinahe alle vor Ort. Hier trifft man die Seele Georgien. Die Stimmung ist einzigartig und sehr familiär! Wein wird hier zum lebendigen Trost. Mit dem Geschmack wird unverhohlen experimentiert!

Das New Wine Festival im Mtatsminda Park am 13. Mai ist ein großartiger Tagesausflug mit einer Mischung aus großen und kleinen Weingütern. Große Industrieweine bleiben jedoch außen vor. Wenn Sie im Mtatsminda Park sind, kommen Sie früh dorthin, um den Wahnsinn der Menschen zu vermeiden, die versuchen, den Park zu erreichen. Die Teilnahme für alle ist hier kostenlos und verspricht eine Fülle von Möglichkeiten, Hunderte von neuartigen Weinen aus der letzten Ernte (2022) zu probieren und zu genießen. Seit seiner Gründung im Jahr 2010 wurde das Festival größer und populärer. Aufstrebende Familienweingüter und Weinunternehmen stehen im Mittelpunkt, um den Gästen einen verlockenden Einblick in ihre neuesten Jahrgangsweine zu bieten.

Georgien ist in seiner Weinkultur beinahe ausschließlich autochthon. Das heißt, dass die verwendeten Trauben bzw. die Rebsorten in diesem Gebiet heimisch sind und dort ihren Ursprung haben. Über Jahrhunderte wurden in Georgien diese Reben kultiviert und sind daher optimal an das jeweilige regionale Klima angepasst. 

Bei der Verkostung sollte man diszipliniert vorgehen, nur einen kleine Schluck nehmen und den Wein kauen, um die Geschmacksnerven voll zu beanspruchen. Scheuen sie sich nicht, den edlen Tropfen, in die Schwerstarbeit geflossen ist, ruhig in den Napf zu spucken. Nicht alles herunterschlucken, denn desto mehr können sie probieren! Und ja, lassen sie sich von den Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung beraten. Und keine Sorge, die Verkostung hält niemand prätentiös durch. Im Verlauf werden sie trinken und feiern, denn die georgischen Winzer sind keine Hippster oder Szene-Typen. Sie sind eher "Beatniks, Außenseiter des Mainstream-Weinbaus", so formulierte es prägnant der Amerikaner Paul Rimple. Zudem gehen die Winzer meist auch noch anderen Berufen nach - in diesem Sinne kann man von einem vielfältigen Lebenswerk sprechen. Ohne zu übertreiben kann man sagen, die Georgier haben einen tieferen Zugang zum Wein - in einem gewissen Sinn philosophisch, umfassend und spirituell zugleich. 

Und der Wein ist längst nicht mehr die Domäne der Männer und ihrer harten Arbeit in dieser Region auf unserer Erde. Junge Winzerinnen, wie die "Baia Sisters", Keto Ninidze, Miranda Chxetiani und andere mischen sich ein. Ja der Wein ist auch ein Wettstreit des Geschmacks und der Entdeckerfreude - von Labels hält man hier in der Community nicht viel. Zwei Frauen aus dem Ausland, die das erkannt haben, schrieben die besten Bücher über diese magische Welt, bei ihren Recherchen traten sie ein in außergewöhnliche Winkel dieser Weinwelt. Sie haben sich echt herumgetrieben und genießen den höchsten Respekt. Lesen Sie Alice Feiring "For the Love of Wine: My Odyssey Through the World's Most Ancient Wine Culture" und das dicke Ding von Lisa Granik MW - "The wines of Georgia" und machen sie sich dann auf eine Reise, bei der sie womöglich nicht mehr heimkehren werden.

Wenn es Anfang Mai an diesen Terminen nicht klappt, dann bestehen noch weitere Möglichkeiten:

🍷 7. Mai, "Samur"
🍷 9. Mai, "Sherekilebi"
🍷 2. - 4. Juni, WineExpo
🍷 17. Juni, "Super natural"

Für Reisepläne, Übernachtungen und weiteres zu Georgien, kontaktieren Sie Hans Heiner Buhr von www.kaukasus-reisen.de 

Wenn sie aus "unverzeihlichen Gründen" eine Reise dorthin nicht antreten können - für einen ersten Kontakt mit dieser Welt empfehle ich im deutschsprachigen Raum, sich hier einen Eindruck zu machen: Paata Bolotashvili ist mit seinem Unternehmen "Weinland Georgien" der erste Georgier, der in den Neunzigern begann, im großen Stil und beachtlichem Durchhaltevermögen ausschließlich georgische Weine nach Deutschland zu bringen. Man braucht es nicht zu erwähnen, er kennt sich wahrlich aus und hat nicht nur Spezialwissen, anekdotisch weiß er von vielerlei zu berichten. Man kann ihn auch buchen für Vorträge und Events. Eine andere großartige "Quelle" im sprichwörltichen Sinne ist der Ungar Zoltán Kovács, der sich mit seiner Berliner Firma "Naturwein Georgien" auf die Naturweine konzentriert! Auch er ist derzeit ein Einzelkämpfer; beide sind für mich profunde Botschafter Georgiens. Nicht nur Restaurants und Köche haben ein Auge auf sie geworfen. Greifen sie zu! Es schmeckt! 


Sunday, May 03, 2020

VIDEO: Grenzenlos - Unterwegs mit Kaukasus-Reisen in Georgien, Armenien, Aserbaidschan. via @kaukasus-reisen

Ein Menschenleben später begeben sich 3 Freunde aus dem Kaukasus auf einer Reise. Ein Featurefilm der Reiseagentur Kaukasus-Reisen. Grenzenlos Reisen in Georgien, Armenien und Aserbaidschan - nach Corona.

Mit Bukhuti Papuashvili, Levon Ishkhano & Farik Aliev.
Musik & Musikanten: Ramizi Shubitidze & Rostomi Kirkitadze (GEO), Trio Aguas (ARM), Alafsar Rahimov & Shahriyar Imanov (AZE)

Sunday, June 25, 2017

PODCAST: Hochgebirge in Georgien. Tuschetiens heilige Orte. Von Lottemi Doormann via @DLF

(deutschlandfunk.de) Majestätische Bergwelten, archaische Volksfeste: Im östlichsten Zipfel Georgiens führt der auf 3000 Metern gelegene Abanopass zu den abgeschiedenen Bergdörfern Tuschetiens. Heidnische Traditionen sind hier weit verbreitet: Auch heute noch opfern die Bewohner ihren Halbgöttern.

Podcast zum Hören: Tuschetiens heilige Orte. Von Lottemi Doormann


Cattle Drive in Tusheti 2010 (Caucasian Mountains in Georgia)

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Auszüge aus dem Feature: Als Suliko ein Baby von drei Monaten war, ist sein Onkel mit ihm über den fast 3000 Meter hohen Abanopass nach Tuschetien geritten. Im Dorf Alvani am Fuße des Großen Kaukasus war der Reiter aufgebrochen, um den Winzling zu seiner Oma ins tuschetische Dorf Iliurta zu bringen. Das war 1978. Damals gab es die unbefestigte Straße noch nicht, auf der wir jetzt mit Fahrer Suliko im Allrad-Geländewagen zum Abanopass unterwegs sind. Die gefährliche Strecke ist der einzige Zugang zu den abgeschiedenen Bergdörfern Tuschetiens, einer der ursprünglichsten Regionen im äußersten Nordosten Georgiens.

[...] Beim Abendessen berichtet Tamuna Latsabidze (Reiseleiterin), unsere georgische Reisebegleiterin, über das traditionelle Leben der Tuschen: Die Tuschen haben ein gewisses Nomadentum hier schon immer gehabt.

[...] "Die ältesten Wehrtürme Tuschetiens sollen schon im 12. bis 13. Jahrhundert entstanden sein. In einem der hohen Wohnwehrtürme von Omalo hat ein Bewohner des Dorfes namens Nugsar Idoidse vor ein paar Jahren ein ethnografisches Museum geschaffen. Wir müssen uns bücken, um den Turm zu betreten."

"Der Eingang ist extra so niedrig, damit, wenn Fremde oder wenn Feinde einfallen würden, sie mussten sich verbeugen, sie konnten nicht aufrecht gehen, da sind sie in der Position gewesen, dass sie nicht schießen konnten. Außerdem ist es eigentlich so’n bisschen Demut - Demut vor dem Türengel, das ist der Beschützer des Hauses."

Drinnen führen grobe Holzstufen aufwärts und durch ein Deckenloch in die "Schua", den Wohnraum für die ganze Familie. Früher gab es nur eine Hühnerleiter, die man bei Gefahr schnell hochziehen konnte, und eine Klappe, mit der das Loch verschlossen wurde.

"Das ist die Männerecke. Und das ist die Frauenecke - hier, wo die Küchenecke ist und wirtschaftliche Sachen. Das ist jetzt so eine ganz typische Konstruktion von Lagerfeuer im Haus, wo man gekocht hat. Das ist zum Butter machen, also stampfen, Butterfass. Das ist eine Wiege, die man aber aufgehängt hat. Das ist zum Beispiel für Bier, wenn man Bier gebraut hat. Bier hat man ja nur zu feierlichen Anlässen gebraut, für diese Dorffeste. Hier gab es ja keinen Wein. Und das war eigentlich das Getränk."

In der Abgeschiedenheit dieses Tales entwickelten die einst dort lebenden Tsova-Tuschen ihre eigene Sprache. Doch schon lange haben sie das Dorf Tsaro verlassen.

Wir wandern zu den steil am Hang liegenden Ruinen, verfallenen Häusern und Türmen aus übereinander geschichteten Schiefersteinen. Tamuna berichtet, dass in diesem Dorf Kranke aus Angst vor Ansteckung mit etwas Nahrung in ein abgelegenes Haus geschickt wurden und dort verhungerten. Schwangere mussten ihr Kind allein gebären und durften erst 40 Tage nach der Geburt in die Gemeinschaft zurückkehren. Viele Mütter und Babys haben das nicht überlebt. Ob das Dorf daran zugrunde ging? Oder an Epidemien? Inmitten der Landschaft sind überall Reste archaischer Türme zu sehen, Zeichen einer mystischen Welt, durch die manchmal eine Horde weißer wilder Hunde streift.

Mindestens zehn bewohnte Dörfer gibt es noch in Tuschetien. Eines davon ist das düstere Dochu, dessen Häuser sich auf einer Bergspitze und einem schwindelerregend steilen Hang eng aneinanderdrängen.

"Um das achte, neunte Jahrhundert haben die Tuschen gezwungenermaßen das Christentum angenommen - 500 Jahre später als im übrigen Georgien. Doch richtige Christen sind sie nicht geworden. Bis heute sind heidnische Traditionen und der Glaube an Naturgeister weit verbreitet. Es gibt nur ein, zwei kleine Kirchen in Tuschetien. Gebetet wird an heiligen Plätzen, an Nischen und Steinhaufen, "khati" genannt, wo sie ihrem Halbgott Kopala Opfer bringen. Frauen dürfen sich diesen Plätzen nicht nähern, geschweige denn etwas berühren. Von diesem Kopala hat der Heilige Georg, christlicher Schutzpatron Georgiens, ein paar Funktionen übernommen. Tamuna sagt: "Auch dem Heiligen Georg opfert man Schafe - das darf der Heilige Georg gar nicht wissen."

Als die Perser im 17. Jahrhundert in Kachetien einfielen, sollen die tollkühnen Kämpfer der Tuschen dem kachetischen König geholfen haben, sie zu vertreiben. Zum Dank gestattete man ihnen, die Alazani-Ebene unten im Tal als Winterweide zu nutzen. Später, nachdem Georgien 1801 von Russland annektiert worden war, erbaten die Tuschen die Erlaubnis, dort im Winter auch zu leben. So blieb es bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts - im Sommer oben, im Winter unten.

Doch dann wollten die Sowjets, dass die Bergbevölkerung unten sesshaft wird.

"Also die Sowjets, die fanden das zu mühsam, es war einfach zu abgelegen und zu schwierig hier, die sowjetische Struktur einzubringen. Also haben sie die Leute gezwungen, nach unten überzusiedeln. Das hat man da unten ganz gezielt gewollt. Unten gab es Krankenhäuser, Schulpflicht, den Fortschritt, oben gab es nichts, nicht mal eine Straße. Also sie haben auf alles verzichten müssen, was man unten schon an Fortschritt hatte. So sind sowohl Tuschetien als auch Chewsuretien, die benachbarte Region, leer geworden."

Erst Ende der 70er Jahre kam der Umschwung, in der Regierungszeit von Eduard Schewardnadze. Um der Entvölkerung der Region entgegenzuwirken, erhielt Omalo eine Krankenstation, eine Schule, und der Reitweg über den Abanopass wurde zur Straße ausgebaut. Seither kehren die tuschetischen Familien in den Sommermonaten in ihre Dörfer zurück, reparieren die Häuser, bauen Balkone und pflegen ihre Traditionen.

Hundert Tage nach dem orthodoxen Osterfest finden in den Dörfern traditionelle Volksfeste mit archaischen, teils vorchristlichen Bräuchen statt. Undenkbar wäre es für die Tuschen, diese Feste anderswo als hier oben in den Bergen zu feiern, mögen sie auch mittlerweile in Tiflis oder Telawi wohnen. Oft werden die genauen Termine erst kurzfristig festgelegt oder wieder verschoben, sodass Reisende ein bisschen Glück brauchen, um am richtigen Ort zur richtigen Zeit ein Fest mitzuerleben.

Der ganze Beitrag hier: deutschlandfunk.de/hochgebirge in georgien

Wednesday, February 11, 2015

DOKUMENTATION: Meine Traumreise durch den Kaukasus: Zu Pferd in unendliche Weiten. (3sat.de)

(3sat.de) Ein Film von Sven Ihden 

16.02.2015 | 15:05 Uhr | 3sat 

Foto: Simone Frewer 
Laura Jaeckel, 30 Jahre und in ihrem normalen Leben Schauspielerin in Paris und Berlin, erfüllt sich einen lange gehegten Traum: zu Pferd unterwegs im hohen Kaukasus zu sein. Mit ihrem Guide Jago reitet sie eine Woche durch Chewsuretien, eine der abgelegensten und einsamsten Regionen Georgiens. Ist dieses Land tatsächlich der Sehnsuchtsort von dem Laura geträumt hat, ein Flecken Erde voller wilder Poesie und unendlicher Weiten, oder ist es einfach nur schwer dort oben zu überleben? Und ist eine Stute mit Fohlen wirklich der beste Reisebegleiter, wenn es gilt, über dreitausend Meter hohe Pässe zu überwinden? 

Video: sr-mediathek.sr-online.de

Guide Jago Arabuli: www.kaukasus-tour.de

Quelle: sr-online.de/meine_traumreise

Tuesday, October 07, 2014

REISETIPP: Viehtrieb Tuschetien 2014 und Reiseplanung für 2015 (kaukasus-reisen.de)


“The best short adventure journey between Europe and Asia”

“An experience of a lifetime !” Mike Bourgault

more: kaukasus-reisen.de/sheep drive tusheti

Schafabtrieb: Mit den georgischen Schäfern von den Bergen Tuschetiens im Großen Kaukasus hinunter in die Weinregion Kachetien. Abenteuer – und leichte Wandertour. Wanderzeit drei Tage, Transfers mit Geländewagen nach/von Tuschetien. Neben den Schafen laufen auch die Pferde, Kühe und Hunde der Hirten über die Berge in die Ebene. Den Herbst im georgischen Großen Kaukasus erleben

Reisetermine:
26.09. – 02.10.2015

Teilnehmerzahl: 3-10
Reisepreis: EUR 1180.00

Tuschetien liegt abgeschlossen von der Kette des Großen Kaukasus im Nordosten Georgiens und ist die Heimat der Tuschen. Zweimal im Jahr wechseln die tuschetischen Hirten die Weiden für ihre Schafe, Ziegen, Kühe und Pferde. Im Frühjahr ziehen sie von den südlichen Steppen in Schiraki an der aserbaidschanischen Grenze quer durch Kachetien nach Norden und dann über den 2970 m hohen Abanopass in die tuschetischen Bergdörfer. Auf saftigen Wiesen in der rauen Höhenluft stellen sie die vorzüglichsten tuschetischen Käsesorten her, bewirtschaften ihre Herden und pflegen jahrhundertealte Traditionen.

Ende September nach der Kartoffelernte und bevor im Hochgebirge der erste Schnee fällt werden die provisorischen Hirtenlager wieder abgebaut, Pferde, Esel und Lastkraftwagen beladen und die Herden über Tagesetappen von 20 bis 30 km zurück nach Kachetien getrieben. Neben unseren regulären Touren nach Tuschetien in den Sommermonaten bieten wir diese Abenteuerreise nur zu einem Termin im Herbst an. Es erwarten die Teilnehmer grandiose Landschaften, tuschetische Gastfreundschaft, Einsamkeit und ein abenteuerlicher Zug mit den Herden zu Pferd oder zu Fuß über die Kette des großen Kaukasus. Tuschetien ist ein Eldorado für Naturfreunde, Reiter, Abenteurer, Angler, Fotografen, Journalisten und Künstler.

2010 hat der Autor Bjørn-Erik Sass an dieser Tour teilgenommen und für Die Zeit in der Rubrik Reisen darüber berichtet:

zeit.de/2010/Georgien

Reiseprogramm: kaukasus-reisen.de/viehtrieb-tuschetien