Oben war die Küche warm und hellgelb und es gab heißen Tee, den der Junge am flachen eisernen Ofen trank, während bei den anderen — den Erwachsenen — ruhiges Gespräch und matter Scherz wechselten. Es blieb immer seltsam genug, wie sie darüber hinwegsahen — mit basaltenen Seelen und warmen Händen — daß sie sich, um das Leben zu ertragen, von der Welt kleine Stücke — Stuben — abtrennten. Was war es, das ihnen diese entsetzliche Sicherheit, dies gespenstische Vergessen gab, daß sie nicht hörten, wie es im Ofen heilig und singend rief (unbekannte hohe und tiefe Stimmen, die sich gelassen und schwermütig aus den Tiefen der Nacht unverständliche Zeichen gaben; höfliche und undeutbare Rufe, ablehnende); wie draußen die edlen Bäume sich im fahrenden Eiswind kummervoll und sehnig nach rückwärts warfen; wie metallene Sternpfeile in herrlichem und tödlichem Bogen abschössen aus Nichts in Nichts, from the Alone to the Alone? Sie hatten Grenzen in sich und um sich genügen; sie maßen und wogen: Aber das Maßlose? das nicht zu Wiegende?
(Da er keine Grenzen in sich fand, haßte er alles, was Grenze und Grenzpfahl war, und wer sie errichtet hatte).
Arno Schmidt (18.1.1914 - 3.6.1979) -- Schwarze Spiegel
Weil mit diesem Verstand auch die Wahrheit geboren wurde, so will es mir scheinen, als handle es sich bei Arno Schmidt um einen Introvertierten, also nach außen sich abschirmenden Menschen, für den der Verstand oder die Vernunft der Urschlamm aller Dinge sind, wenn ich so sagen darf. Später kommt dann die Sehnsucht nach Licht - also wohl: nach Erkenntnis - hinzu. Horus, die Grenze, aber, diese 'alles in seinem Wesen, seinen Schranken und seiner Natur erhaltende Kraft', von der es heißt, sie bestimme alles, damit es nicht vom Unendlichen verschlungen werde, diese als 'Grenze' bezeichnete Macht, dürfte wohl nichts anderes sein als das Maß im Sinn einer gewissen Humanität.
Hermann Lenz - Arno Schmidt (in: Leben und Schreiben)