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Now: We start to the South Caucasus ...
Politik, Kultur, Geschichte, Wirtschaft, Internet und andere Aspekte über den Süd-Kaukasus // Politic, Culture, History, Economy, Internet And Other Aspects About South-Caucasus // Re-Blogged & Posted By Ralph Hälbig
Uploaded on January 9, 2007 by Steve
Im Hintergrund des Privatlebens der verzweigten Großfamilie entfaltet sich nämlich das Bild einer ganzen historischen Epoche: das bedrückend enge Wohnen in den sowjetischen Kommunalkas, die "reiche Armut der Intelligenz", da - wie es heißt - "das einzige Kapital, das die Sowjetmacht umsonst verteilte" eine Hochschulausbildung für alle war; die Wirren des Krieges, die Deportation der Tschetschenen durch Stalin; die Hungerjahre der Nachkriegszeit, in denen Lina ihre Familie als mit allen Wassern gewaschene Schwarzhändlerin durchbringt; die antisemitische Kampagne gegen den so genannten Kosmopolitismus; die großen Hoffnungen der Perestrojkazeit, die in Baku mit dem Berg-Karabach-Konflikt und den schrecklichen Pogromen gegen Armenier bitter enttäuscht werden; die Ausreisewelle der Juden, die den einen Teil der Familie nach Deutschland, den anderen nach Israel verschlägt, wo die nicht mehr jungen Exilanten ein mühevoller Neuanfang erwartet.
Den gesamten Text durchzieht das Thema des vielfältigen multinationalen Zusammenlebens, das nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu Ende ging. In Wladikawkas gab es eine russisch-orthodoxe, eine armenische, eine katholische, eine lutherische Kirche sowie selbstverständlich eine Moschee und eine Synagoge. Und Baku mit seinem bunten Völkergemisch, seiner Intellektualität und Musikalität war eine mit ihrem kaukasisch-europäischem Flair ganz unvergleichliche Stadt, in der sich Traditionen, Küche und Lebensweise von Aserbaidschanern, Armeniern, Juden, Russen, Angehörigen verschiedener Bergvölker, Georgiern und Daghestanern gegenseitig bereicherten. Die gemeinsame Sprache ist Russisch, jedoch mit unterschiedlichem kaukasischen Akzent und einer ganz eigenen Sprachmelodie. Lina heiratet in erster Ehe Mark, dessen Mutter Französin, der Vater Armenier war, in der zweiten einen russischen Panzeroberst und in der dritten einen aserbaidschanischen Arzt.
Grundthema des Romans sind die Familienbande mit ihrem Segen und Fluch, ihrem Glück und Elend.
Jean-Michel erzählt von seiner Heimat, von seiner Familie, von seinem Glauben. Er achtet auf Sopos roten Lippen und ihre tiefen, dunklen Augen während sie dem georgisch-orthodoxen Popen übersetzt, was er sagt. Und er merkt, wie sich ihre Züge verändern, wie die weichen Linien sich verwandeln in enttäuschte, harte Falten. Da stehen sie nun, der Franzose und die Georgierin, mitten in Tbilisi auf den Treppenstufen einer alten Kirche aus dem 14. oder 15. Jahrhundert und beantworten rein zufällig die Fragen eines interessierten Priesters; und mit jeder Antwort schwindet ein bisschen Hoffnung auf Liebe, auf Nähe, auf eine gemeinsame Zukunft. Jean-Michel Merveilleau ist Buddhist, seine zweite Frau hat ihn gerade verlassen, er hat drei Kinder aus zwei Ehen, er ist 44 Jahre alt. Da ist sie, die schlichte Wahrheit seiner Lebensumstände. Fakten, nach denen sie, Sopo, nie gefragt hat. Fakten, die mit ihrer Vorstellung von Liebe, Ehe und Kindern nicht zu vereinen sind. Sie möchte keinen Mann, der fast zwanzig Jahre älter ist als sie, der kein Christ ist, und auf dem Papier noch verheiratet. Ihre roten Lippen verlieren die verführerische Spannung, ihr Blick fängt seinen nicht mehr. Der Zauber ist vorbei, ganz plötzlich, von einem Moment zum nächsten. Sie ist nicht bereit, ihn aufrechtzuerhalten für eine ungewisse Zukunft zwischen Frankreich und Georgien. Ihr Wege trennen sich für immer – noch am gleichen Nachmittag.
Jean-Michel ist traurig und desillusioniert, doch er bereut nicht, dass er nach Georgien gefahren ist, 5000 Kilometer quer durch Europa. Für den Rückweg wird er sich Zeit nehmen, er wird sich die Länder ansehen, die er mit seinem Kleinlaster durchquert. So ist sein Plan, und mit diesem Plan fährt er Giorgi hinter her, einem Taxifahrer der ihm den Weg raus aus der Stadt Richtung Gori weist. Zunächst ist das wieder sein Ziel. Doch diesmal sucht er nicht die Liebe, diesmal will er Tourist sein, Stalin sehen, sich Zeit lassen. Jean-Michel besucht das Stalin-Museum, er versucht die russischen und georgischen Schriftzeichen zu entziffern, während ein Student mit einem Buch hinter ihm her trottet und ihn beobachtet. Erst fast am Ende der Ausstellung stellt sich heraus, dass es sich einen schüchternen Museumsführer handelt, der sich nicht aufdrängen will. Es ist dem Studenten fast peinlich, dass hier unhinterfragte stalinistische Propaganda ausgestellt ist. Stalins Geburtshaus, Stalin als junger Mann, Stalins Geschenke, Stalin mit anderen großen Führern, Stalins Totenmaske, Stalin - Sohn Goris, Sohn Georgiens.Jean-Michel will weiter, er will Gori verlassen und mehr sehen. Er kennt nur einen Weg aus der Stadt, den Weg den er gekommen ist. Am Rathaus, bei dem riesigen Monument von Joseph Stalin muss er abbiegen. Er denkt nicht darüber nach, dass er hier nicht abbiegen darf. Er übersieht die Schilder, und dann weiß Jean-Michel für einen kurzen Moment lang nicht, wie ihm geschieht. Sein Kleinlaster hat einen Totalschaden, das gegnerische Fahrzeug ist völlig demoliert. Der Fahrer hat ein paar Kratzer. Stalin sieht auf ihn herab, während sich eine Menschentraube bildet und vier Polizeiwagen angefahren kommen. Nach kürzester Zeit ist sogar das Fernsehen vor Ort, und will ihn interviewen.
Jean-Michel bleibt ruhig, als man ihn abführen will. Er hat einen Unfall verursacht und einen Menschen verletzt - nach georgischem Recht ein Grund ihn zunächst in Gewahrsam zu nehmen. Der Franzose ruft die Botschaft an, bekommt einen Dolmetscher. Die französische Versicherung haftet nicht in Georgien. 4500 Euro soll er nun aus eigener Tasche bezahlen als Strafe und für den Schaden. Ins Gefängnis muss er vorläufig nicht, doch die Familie der gegnerischen Partei nimmt ihn bei sich auf. Die Gastfreundschaft ist groß, nur gehen darf er nicht.
In der Nacht, im Bett, als es still ist, als er merkt, dass er nicht nur Sopo sondern auch sein Auto verloren hat, kommt ihm die rettende Idee. Er tauscht seinen Wagen gegen die Freiheit. Hier in Georgien ist der Renault trotz des Totalschadens etwas wert, kann repariert und verkauft werden. Die Unfallgegner sind einverstanden. Tage vergehen, bis die nötigen Formalitäten geklärt sind. Jean-Michel hat an seinen Wagen an der Grenze nicht verzollt, schließlich wollte er ihn ja auch nicht verkaufen. Nun soll er aber in den Besitz eines Georgiers übergehen, was einem Verkauf gleich kommt. Der Wagen ist nicht fahrtauglich, also kann der Franzose ihn auch nicht erneut über die Grenze fahren. Eine Odyssee durch die georgische Behördenlandschaft beginnt. Immer braucht Jean-Michel einen Dolmetscher, nie lässt ihn seine "Gastfamilie" aus den Augen. Eine Woche nach dem Unfall ist es vollbracht. Jean-Michel hat kein Auto mehr, er darf nach Hause, seine Krankenkasse übernimmt den Flug. Eigentlich möchte er nicht nach Bordeaux zurück. Er weiß nun, dass er ein Reisender sein möchte, dass er sich die Welt ansehen will, mit allen Sinnen. Doch das Flugzeug wartet nicht auf ihn, seine Geld und seine Zeit sind nicht grenzenlos. Am gleichen Tag, an dem er in ein Flugzeug nach Frankreich steigt, trifft er eine Georgierin. Eine dunkelhaarige Sirene, die ihm tief in die Augen blickt und deren Hand er einen Moment länger hält, als es die Zeit für eine unverfängliche Verabschiedung erlaubt.
Mehr demnächst auf http://georgien.blogspot.com/
Teil 15: Die Geschichte des wunderbaren Monsier Merveilleau.
Patricia Scherer in Georgia (Caucasus) photos
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Patricia Scherer
freie Journalistin
vom 15. Juli bis 30. September 2007
Barnovis Kutscha 39
0160 Tbilissi, Georgien
Tel. +995-32-982966
Mobil +995-95-764296
Mailto: patricia@patricia-scherer.de
Skype: patriciaworldwide
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Bassanne hat laut Statistik 87 Einwohner. Es liegt südlich von Bordeaux in Frankreich. Etwas abseits der Zivilisation lebt Jean-Michel Merveilleau zwischen seinen Weinbergen. Der Weinbauer ist fast so wunderbar, wie sein Nachname. Sein Gesicht ist überzogen von tiefen Lachfalten, die die Arbeit an der frischen Luft gegerbt haben, und seine blauen Augen blitzen auf, wenn er sich freut und lächelt. Jean-Michel's Herz weint, weil seine Frau ihn zurück gelassen hat, hier auf dem Land. Seine beiden Kinder hat sie mitgenommen. Vielleicht ist sein Herz gerade deshalb so hungrig, oder vielleicht hat er auch nur Lust auf ein großes Abenteuer, das ihn weit weg führt von seinen Weinbergen und den immer gleichen Gesichtern. In der Region um Bordeaux befinden sich ein paar alte Gebäude, die von den jeweiligen Dorfgemeinschaften restauriert wurden. Unter anderem eine alte Mühle aus dem 13. Jahrhundert, direkt in Bassanne. Auch Jean-Michel hat sich an der Renovierung beteiligt. Die Neueröffnung der Mühle soll gebührend gefeiert werden, mit einer Prozession und einem Fest für zweihundert Personen.
Warum ausgerechnet ein georgischer Chor anlässlich der Einweihung singt, bleibt unerklärlich, doch, so trägt es sich zu. Und wie es das Schicksal oder der Zufall will, erblickt Jean-Michel eine georgische Göttin. Sopo oder auch Sophie. Sie schreitet eine Treppe hinab. Er sieht sie, sie sieht ihn, und plötzlich können sich ihre Blicke nicht mehr von einander trennen. Als er ihr einen Aperitif einschenkt, ist es längst um ihn geschehen. Er hängt an ihren Lippen, während sie von ihrem Land erzählt, von Georgien, seiner mystischen Vergangenheit, seinen bunten Farben, der unermesslichen Gastfreundschaft der Menschen und dem Reichtum an Wein und Weib und Gesang. Sopo leuchtet und strahlt, während sie erzählt, und Jean-Michel kann sein Glück kaum fassen. So, und ähnlich, beginnen viele traurige Liebesgeschichten. So, und ähnlich, lockt Georgien die Ahnungslosen an. Jean-Michel weiß in diesem Moment, da ihn die Sirene mit Erzählungen vom Paradies im Kaukasus betört nur eines, er muss sie wieder sehen. Beim Abschied hält er ihre Hand, länger als es die flüchtige Berührung einer herkömmlichen Verabschiedung erlaubt.
Schon am nächsten Tag findet ein weiteres Fest zur Einweihung eines anderen restaurierten Monuments statt. Jean-Michel kann es kaum erwarten Sopo wieder zu sehen. Er hofft, er geduldet sich, er trinkt, er wartet, doch Sopo ist längst nach Paris abgereist. Über andere Georgier erhascht er ihre Email-Adresse und macht sich sogleich ans Werk ihr zu schreiben. Eine Woche vergeht, und er erhält keine Antwort. Niedergeschlagen und traurig ist er, der Hoffnungsschimmer klein, als er doch endlich eine Antwort erhält. Eine Einladung nach Georgien und eine Adresse in Gori. Die sofortige Abreise scheint für Jean-Michel die einzige Möglichkeit seine Göttin noch einmal an der Hand zu halten. Er will kein Flugzeug nehmen, er will sofort und ohne Umschweife eine Abreisen, ohne ein Sicherheitsnetz, ohne die Möglichkeit seine Entscheidung zu überdenken. Also setzt er sich in seinen Kleinlastwagen und fährt durch Frankreich nach Italien, über Slowenien nach Kroatien, Serbien, Bulgarien. Er schläft im Auto. Nur eine Musikkassette hat er dabei, die er immer wieder hört. Manchmal erkennt er lediglich an der neuen Sprache im Radio, dass er ein Land verlassen hat um das nächste zu passieren. Er fährt, und schläft - fünftausend Kilometer lang – bis er von der Türkei aus die georgische Grenze passiert. Bisher hat Jean-Michel Europa nur ein einziges Mal verlassen - um Urlaub zu machen in Marokko. Doch er hat keine Angst vor dem Unbekannten. In diesem Moment, in dem er durch den Tunnel nach Sarpi zum georgischen Grenzpunkt fährt, ist er selig. Jetzt trennen ihn nur noch wenige Kilometer von Sopo.
Dem Grenzbeamten gefällt die Musik auf der Kassette, er möchte sie haben. Jean-Michel tauscht sie ein, gegen einen Eingangsstempel in seinem Pass. Als er Batumi erreicht um Geld zu wechseln, regnet es. Er ist ein französischer Weinbauer verloren in einer fremden Hafenstadt, allein, bei Regen. Doch das trübt seine Stimmung nicht. Er findet seinen Weg nach Gori. Er findet Sopos Haus, und ihre Familie. Nur Sopo findet er nicht. Jean-Michel findet nur Sopos Schwester, die ihm erklärt, das Sopo noch in Frankreich ist. In Paris.
Zwei Tage wartet Jean-Michel auf Sopo, bis sie endlich zurückkehrt in ihre Heimat, nach Gori. Die Überraschung ist groß, und auch die Freude. Auf beiden Seiten. Jean-Michel ist offen, er hängt an ihren roten Lippen, und Sophie scheut keine Mühen um ihm ihr Land zu zeigen. Berühren tun sie sich nur, wenn sie eine Straße überqueren müssen. Sophie fasst ihn dann am Arm, und zerrt ihn bestimmend und schnelles Schrittes über die Straße. In Sicherheit, auf der anderen Seite, lässt sie ihn sogleich los. Gemeinsam sehen sie sich die alten Städte Georgiens an, Museen und Denkmäler. Und vor allem Klöster und Kirchen - nicht nur weil Georgien davon so viele zu bieten hat -, Sopo ist tief gläubig. Die georgisch-orthodoxe Kirche beinhaltet für sie die einzige Wahrheit. Und genau das soll für Jean-Michel zum Verhängnis werden. Das Georgien, dass Sopo in Frankreich beschrieben hat, ist nicht das, was Jean-Michel nun kennenlernen wird. Und die Frau, in die er sich so Hals über Kopf verliebt hat, wird nie wieder dieselbe sein.
Das Ende einer Liebesgeschichte auf Georgisch, demnächst bei
Teil 14: Bombastic Plastic
Patricia Scherer in Georgia (Caucasus) photos
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Patricia Scherer
freie Journalistin
vom 15. Juli bis 30. September 2007
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— Notes from Georgia/South Caucasus (Hälbig, Ralph) (@SouthCaucasus) November 22, 2022
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