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Friday, June 09, 2023

Geopolitik: Georgien zwischen den USA/EU und Russland

Interessanter spieltheoretischer Blick auf die Problematik Georgiens, das dem geopolitischen Druck zwischen den USA/EU und Russland ausgesetzt ist.

"Georgien befindet sich in einer heiklen Situation, gefangen zwischen den Interessen des Westens und Russlands. Die politische Erzählung der Regierung, die besagt, dass es entweder Krieg und Westbindung oder Frieden mit Russland und territoriale Integrität gibt, ist falsch. Die Versprechen Russlands erweisen sich als Illusion, während die Regierung die Macht und finanziellen Gewinne ausnutzt.

Sowohl die EU und der Westen als auch Russland haben jeweils ihre "diplomatischen Hebel", die sie ausspielen können - sei es äußerst begehrte Belohnungen auszuzahlen oder erhebliche negative Auswirkungen auf Georgien wirken zu lassen. Mit der zunehmenden Verschärfung der regionalen Geopolitik könnte der Druck auf beide Parteien steigen, diese Karten auf den Tisch zu legen.

Die endgültigen Schritte Russlands hängen von den schwerwiegenden Repressalien ab, die es verhängen kann, wie beispielsweise die formelle Eingliederung von Südossetien in das russische Staatsgebiet, militärische Gewalt oder wirkungsvolle Wirtschaftssanktionen. Die Wahrscheinlichkeit solch harter Restriktionen ist höher als alle vermeintlichen Vorteile.

Auf der anderen Seite könnte der Westen die Aufnahme Georgiens in die NATO und/oder die EU beschleunigen, was einen bahnbrechenden Wendepunkt bedeuten könnte. Wenn sich Georgien jedoch Russland zuwendet, könnte der Westen ernsthafte Sanktionen in Betracht ziehen, ähnlich wie im Fall von Belarus.

Die Entscheidung der EU im Dezember 2023 über Georgiens Kandidatur wird die Wahrscheinlichkeit der Umsetzung dieser Strategien erheblich beeinflussen. Die sich entwickelnde Dynamik in der Ukraine, interne politische Prozesse und internationale Entscheidungen werden die geopolitische Entwicklung Georgiens maßgeblich prägen.

Premierminister Gharibashvili hat zugesichert, die Voraussetzungen der EU für den Kandidatenstatus zu erfüllen. Gleichzeitig betonte er jedoch, dass die "Depolarisierungskomponente" erst nach der Anerkennung Georgiens durch die EU angegangen werden sollte. Dies spiegelt die Frustration über den EU-Prozess wider.

Die Partei "Georgischer Traum" zeigt eine zunehmende Ausrichtung auf Russland, im Gegensatz zur konsequent proeuropäischen Haltung von Präsident Zurabischwili. Dennoch verdeutlicht die pro-westliche Stimmung von über 85 % der Georgier die Diskrepanz zwischen den Maßnahmen der Regierung und der öffentlichen Meinung.

Die geopolitische Entwicklung Georgiens steht vor einer bedeutsamen Veränderung. Die bevorstehende Entscheidung der EU über Georgiens Kandidatur im Dezember 2023 wird ein entscheidender Faktor sein, der die Ausrichtung Georgiens entweder auf den Westen oder auf Russland beeinflussen könnte.

Wenn die EU Georgiens Kandidatur zustimmt, könnte dies einen entscheidenden Wandel hin zu einer stark pro-westlichen Ausrichtung bedeuten, der interne Spannungen mildern und möglicherweise den Einfluss Russlands neutralisieren würde. Allerdings könnten schwere russische Vergeltungsmaßnahmen die Folge sein.

Falls die EU Georgiens Kandidatur ablehnt, könnten pro-russische Gefühle verstärkt und interne Unruhen angefacht werden. Dies könnte die Regierung ermutigen, ihre pro-russische Ausrichtung zu vertiefen und zu einer Eskalation der politischen Polarisierung und möglicherweise zu gewaltsamen Protesten führen.

Die Haltung Georgiens zum Ukraine-Krieg, die antiwestliche Rhetorik sowie eine politisierte und korrupte Justiz, die Freiheiten und die Demokratie untergräbt, bereiten der EU und den USA große Sorgen. Die Entscheidung über Georgiens EU-Kandidatur unterstreicht die Bedeutung des bevorstehenden Urteils.

Die georgische Regierung und das georgische Volk stehen vor einer dringenden Notwendigkeit, potenzielle Gewinne gegen die möglichen Auswirkungen sowohl des Westens als auch Russlands abzuwägen und in den kommenden Monaten Entscheidungen zu treffen, die über das Schicksal ihrer Kinder entscheiden werden."

Thursday, May 11, 2023

Geopolitik: Georgiens Position zwischen dem Westen und Russland.

Zusammenfassung einer Analyse von Kornely Kakachia & Bidzina Lebanidze - von Ralph Hälbig.

Georgien hat in der Vergangenheit enge Beziehungen zu Nachbarländern gepflegt und euro-atlantische Integrationsziele verfolgt. Nach der russischen Invasion der Ukraine hat Georgien jedoch eine Distanz zum Westen und zu Russland aufrechterhalten und eine Politik verfolgt, die Russland an erster Stelle stellt. Die Regierung hat sich zwar nicht den Sanktionen des Westens gegen Russland angeschlossen, betont aber, dass sie sich an alle Sanktionen hält und nicht zulassen wird, dass ihr Territorium zur Umgehung dieser Sanktionen genutzt wird. Die EU hat Georgien Aussicht auf einen Beitritt gegeben, aber das Land muss seine derzeitige konzeptionelle Unklarheit aufgeben und eine festere Position in der geopolitischen Rivalität zwischen Russland und dem Westen einnehmen, um seinen langfristigen strategischen Interessen gerecht zu werden. Die derzeitigen Taktiken der Regierung stehen im Widerspruch zu den langfristigen Interessen Georgiens und führen zu einer gewissen Entfremdung vom Westen und zu Schäden für die Beziehungen zu Kiew. Die meisten Georgier unterstützen die Integration in die EU und die NATO.

Georgiens Position zwischen dem Westen und Russland wird zunehmend schwieriger, da die EU den Druck erhöht, um sicherzustellen, dass ihre Nachbarn Moskau bei der Umgehung von Sanktionen nicht unterstützen. Georgiens Entscheidung, neue U-Bahn-Wagen aus Russland zu kaufen und die Offenheit georgischer Beamter gegenüber Direktflügen mit Russland haben in Georgien und im Westen bereits Gegenreaktionen ausgelöst. Die EU fordert auch eine Anpassung der Visumpolitik Georgiens, was politische und wirtschaftliche Kosten für das Land haben könnte. Obwohl die Mehrheit der Georgier bereit ist, auf Handelsbeziehungen mit Russland zu verzichten, könnte Georgiens wachsende Divergenz von relevanten EU-Erklärungen und liberale Handelspolitik eine ernsthafte Sorge für die EU darstellen. Es bleibt jedoch unklar, ob Georgien tatsächlich in eine konfliktreichere Beziehung zu Russland geraten wird oder ob die georgische Führung diese Risiken übertreibt, um ihre transaktionale Äquidistanz zwischen Russland und dem Westen zu rechtfertigen.

Das Verhalten Georgiens in der Außenpolitik kann nicht allein durch eine durch eine Perspektive auf die internationalen Beziehungen erklärt werden, die Staaten als monolithische "Black Boxes" betrachtet. Vielmehr wird es durch die inländische Politik bestimmt, die sich um die politischen Neigungen der Regierung und der Opposition dreht. Der EU-Beitrittsprozess erfordert politische Reformen, die die Macht der Regierung schwächen könnten. Die Regierung priorisiert jedoch ihr eigenes politisches Überleben über die europäisch orientierte Zukunft des Landes. Diese Priorisierung wird teilweise durch eine toxische politische Kultur geprägt, die eine Nullsummenspiel-Mentalität unter politischen Akteuren fördert. Jede Machtrotation in Georgien führt zu Repressionen gegenüber den Führern des ehemaligen herrschenden Regimes. Die inländische Dimension allein erklärt jedoch nicht Georgiens außenpolitische Dilemmata, wie die Frage, ob eine wertebasierte Außenpolitik, die auf die EU ausgerichtet ist, und eine pragmatisch ausgewogene Außenpolitik, die darauf abzielt, Russland zu besänftigen, langfristig kompatibel sind. Trotzdem unterstützt die USA weiterhin die europäische Integration Georgiens.

Die aktuelle Regierung Georgiens setzt bei ihrer Außenpolitik auf eine Beschwichtigung Russlands, was einen Bruch mit der bisherigen Tradition darstellt. Diese transaktionale Außenpolitik, die auf kurzfristige Vorteile ausgerichtet ist, lehnt wertebasierte Politikgestaltung ab und vernachlässigt eine langfristige strategische Vision. Während Flexibilität im Umgang mit den Sicherheitsrisiken Russlands notwendig ist, stellt eine Annäherung an Russland langfristig keine Lösung dar und hält Georgien von einer Zusammenarbeit mit NATO und EU ab. Die Beobachtung des georgischen Falls wird zeigen, ob transaktionale Außenpolitik herrschenden Regimen in kleinen Staaten helfen kann, ihre Macht abzuschirmen und durch geopolitische Turbulenzen zu navigieren.

Der ganze Text in englisch: Tbilisi’s Transactional Foreign Policy Leads Georgians Astray. By Kornely Kakachia & Bidzina Lebanidze [ponarseurasia]

Tuesday, March 07, 2017

BUCH: Stefan Troebst; Zwischen Arktis, Adria und Armenien. Das östliche Europa und seine Ränder. Aufsätze, Essays und Vorträge 1983–2016 (boehlau-verlag.com)

(boehlau-verlag.com) Im Zuge von Weltgeschichtsschreibung, Transnationalisierungsforschung und „neuen“ Area Studies ist die im deutschsprachigen Raum vertretene historische Teildisziplin Osteuropäische Geschichte zum einen unter Legitimationszwang geraten, zum anderen aber von eben diesen global orientierten Forschungsrichtungen als paradigmatischer Prototyp entdeckt worden. Im Kontext von Bezugsrahmen wie „Eurasien“ und „zweiter Welt“, ja selbst „Europa“ oder „nördliche Hemisphäre“, ist das Erkenntnispotential der seit hundert Jahren gut etablierten historischen Osteuropaforschung samt ihren Foci auf Ostmitteleuropa, Südosteuropa, Nordosteuropa und den ostslavischen Raum, aber auch auf den Kaukasus und Zentralasien sowie bezüglich der Verflechtung mit anderen Weltregionen, zum einen erkannt wie es zum anderen genutzt wird. Dies gilt nicht zuletzt für die in der besagten Teildisziplin entwickelte Konzeption der Geschichtsregion, welche mittlerweile nicht nur von anderen Europahistorikern, sondern auch von Vertretern weiterer historischer Disziplinen – historische Soziologie, Zivilisationsgeschichtsschreibung, Kunstgeschichtsforschung, Literaturgeschichte, Anthropogeographie u. a. – kreativ adaptiert wird.

Der Band belegt sowohl die Sinnhaftigkeit der geschichtsregionalen Konzeption „östliches Europa“ (samt ihren Untergliederungen) im intraregionalen Kontext als auch deren Konstituierung durch die Interaktion mit angrenzenden historischen Meso-Regionen.

Hier sind die 450 Seiten als pdf: boehlau-verlag.com/download/OpenAccess

Sunday, June 29, 2014

VIDEO: Georgien strebt gen Westen. Von Karl Harenbrock (dw.de)

(dw.de) Seit der Krise um die Ukraine wollen immer mehr Staaten Osteuropas schnell näher an die EU rücken, so auch Georgien. Mit dem Unterzeichnen des Assoziierungsabkommens bekommt das Land einen weitgehend ungehinderten Zugang zum EU-Markt. Was bringt das den Unternehmen in Georgien ?

Saturday, June 21, 2014

ARTIKEL: Georgien auf dem Weg nach Europa. Notizen einer unverfänglichen Beobachterin. Von Tatjana Montik

Sehr bald wird Georgien einen Assoziierungsvertrag mit der Europäischen Union unterzeichnen. Die Nachricht darüber freut mich ungemein. Und ich wünsche diesem wundervollen Land vom ganzen Herzen, endlich die Perspektive einer Angliederung an die europäische Familie zu bekommen, auch wenn noch unbekannt ist, wann genau dies geschehen wird. Der größte Nutzen dieser Annäherung wird meiner Meinung nach darin bestehen, dass Georgien die politische Nachhaltigkeit und die andauernde demokratische Entwicklung garantiert werden, damit es nach seinem schnellen Reformen-Sprung nicht wieder in die Vergangenheit zurückgeholt wird.

Natürlich habe ich auch gewisse Befürchtungen, die mit der europäischen Integration Georgiens zu tun haben. Freilich bin ich mir dessen bewusst, dass diese Befürchtungen stark emotional gefärbt und deshalb durch und durch subjektiv sind.

Auf meinem Weg aus Wien nach Tiflis über Rom habe ich erneut versucht, die Italiener zu beobachten und sie mit den Georgiern zu vergleichen. Dieses Thema kommt mir übrigens immer wieder spannend vor, und ich unterhalte mich gerne darüber mit meinen italienischen Freunden, den hiesigen Georgien-Experten.

Doch nun schreibe ich von meinen eigenen Eindrücken.

Die Italiener sind wie die Georgier ein fröhliches, offenes und positives Volk, sie sind einfach im Umgang, sie leben mit Leichtigkeit und Anmut, und sie haben eine bewundernswerte Eigenschaft, aus dem Vollen zu schöpfen und alle Lebensfreuden auszukosten. Dennoch beschleicht mich immer öfter der Eindruck, dass die Italiener in ihrem wunderschönen Land schon länger zu sehr strukturiert, geordnet und standardisiert sind. Ob das mit der europäischen Integration oder mit der Globalisierung zu tun hat?

An dieser Stelle kommt mir ein Vergleich mit gutem italienischem Käse in den Kopf sowie mit den berühmten italienischen Weinen. Praktisch alle davon haben ein so genanntes Qualitäts- und Ursprungszeichen – D.O.C. (Denominazione di origine controllata). Strenge Normen und Standards haben also auch Italien eingeholt, und die Ordnung regiert nicht nur den europäischen Norden.

Doch nach Georgien ist dieser Fortschritt (noch?) vorgedrungen. Und deshalb hört dieses Land nicht auf, uns mit seinen unbekannten Facetten, mit seinen interessanten Produkten sowie mit seinen ungewöhnlichen und kreativen Menschen zu überraschen. Um das alles in vollen Zügen zu genießen, muss man aber gut suchen können. Doch demjenigen, der sie gefunden hat, wird das triumphierende Gefühl eines Erstentdeckers garantiert. So ist es mit dem Käse, mit dem Wein sowie mit den vielen von den Touristenscharen nicht ergangenen Stegen des Landes.

Am Anfang meines Aufenthaltes hier haben mich meine westeuropäischen Freunde oft gefragt, wie es wohl so sein mag, dieses unbekannte Land, Georgien. Daraufhin kam mir eine folgende Antwort in den Sinn, die ich nach wie vor zu geben bereit bin: „Georgien ist eine perfekte Mischung aus Spanien, Italien, Portugal und Griechenland, doch das lange vor all den Globalisierungsprozessen“.

Man kann es auch so ausdrücken: Hier in Georgien wird es einem nicht langweilig. Und vieles birgt hier noch ein Geheimnis und so zieht es seine Erstentdecker erst richtig an. Alles in einem: Das Diamant ist (noch?) nicht geschliffen.

Wohl kein Land, das durch die europäische Integration gegangen ist, hatte es leicht. Auf vieles musste man verzichten, vieles musste man ändern, einiges war einfach zu vergessen. Eine Symbiose ist oft mit Schmerzen verbunden. Deshalb ist es wichtig, seine Grenzen zu erkennen und diese nicht zu überschreiten.

Ein österreichischer Freund von mir verbringt seinen Urlaub unglaublich gerne in Georgien. Alleine die georgische Küche wäre für diese Vorliebe Grund genug. Doch noch mehr Spaß hat er dabei, selber mit georgischen Lebensmitteln zu kochen, nachdem er die ursprünglichen und natürlichen einheimischen Obst und Gemüsesorten eingekauft und dessen Aromen und den unnachahmlichen Geschmack in vollen Zügen genossen hat. Deshalb war ihm die Nachricht von der europäischen Assoziierung Georgiens keine besonders willkommene. „Na so was! Bald ist mein geheimes Gourmet-Paradies wohl zu Ende“, bemerkte er mit trauriger Stimme. Ich hoffe sehr, er hat damit nicht Recht.

Ich werde hier keine Liste mit den georgischen Markenzeichen materieller, geistiger und menschlicher Natur zusammenstellen, die durch die europäische Assoziierung gefährdet werden könnten. Dafür würde ich gerne zum Schluss noch etwas anderes anführen.

Im Vergleich mit seinen westeuropäischen Nachbarn gewinnt Georgien noch in einem: Dieses Land ist unglaublich gut zum künstlerischen Schaffen geeignet. Und wissen Sie warum? Denn hier befindet sich vieles noch in potentia: Der Markt ist nicht überfüllt von all dem Nötigen und Unnötigen. Und die Ideen schweben in der Luft. Man braucht sie nur auffangen.

Und noch etwas. Georgien ist ein äußerst meditatives Land, denn hier wird man auf seiner Suche nach dem Wesentlichen nicht abgelenkt.

Auf dem Weg vom Tiflisser Flughafen nach Hause habe ich aus dem Taxi-Fenster rausgeschaut und versucht, Tiflis mit einem frischen Blick zu sehen. Und all meine Vermutungen wurden aufs Neue bestätigt: Tiflis ist wie auch das ganze Land ein ungeschliffenes Diamant, das insbesondere diejenigen zu schätzen wissen, die Geheimnisvolles und nicht-zu-Ende-Gesagtes mögen. Und ich glaube, ausgerechnet in diesem Potential steckt eine unglaubliche Anziehungskraft.

Der Taxifahrer fing – in der unnachahmlich charmanten Art seiner hiesigen Kollegen – das Gespräch mit mir im Geiste eines perfekten Fremdenführers an: „Lassen Sie uns mal zunächst miteinander bekannt machen. Ich heiße Georgi, und Sie? Sind sie zum ersten Mal in Georgien?“ – „Me Tatiana var. Tbilisshi vtschovrob“, - antwortete ich schnell. An dieser Stelle merkte ich, wie sich das Interesse meines Visavis an meiner Person schnell erschöpfte (Ich könnte sogar seinen Gedankengang ungefähr nachverfolgen, was ich an dieser Stelle nicht mache).

Ich möchte hoffen, diese Art der Unterhaltung war kein Zeichen der anfangenden Globalisierung Georgiens. Jedenfalls mich würde s nicht erfreuen.

Tiflis, den 12. Juni 2014

Wednesday, April 30, 2014

INTERVIEW: Peter Voß fragt Jörg Baberowski: Peter Voß fragt Jörg Baberowski (3sat.de)


(3sat.de) "Die Ukraine (war) das Kernland des alten Imperiums. Der russische Gründungsmythos beginnt in Kiew", sagt der Historiker Jörg Baberowski. Was hat die Vergangenheit mit der aktuellen Krimkrise zu tun? Wie hat der Westen beim Konflikt in der Ukraine versagt?

Stalin und der Stalinismus ist ein ewiges Leit- und Leidthema der jüngeren russischen Geschichte, aber keineswegs nur dieser. Der Osteuropa-Experte Jörg Baberowski hat mit seiner 2012 erschienen Studie "Verbrannte Erde - Stalins Herrschaft der Gewalt" über die Bedeutung Stalins im stalinistischen Terrorsystem kontroverse Diskussionen ausgelöst. Darin hatte er den Stalinismus als Rückfall in eine archaische Gewaltherrschaft, und damit als Fremdkörper im sowjetischen Modernisierungsprojekt gedeutet. Baberowski erzählt die Geschichte der stalinistischen Gewaltexzesse und beschreibt Stalin als einen Psychopathen und passionierten Gewalttäter.



Die Gewaltherrschaft Stalins

Das bolschewistische Projekt, so die These des Buches, bot eine Rechtfertigung für den Massenmord, aber es schrieb ihn nicht vor. Stalin war Urheber und Regisseur des Terrors. Laut seiner Studie über die stalinistische Herrschaft ließen sich deutliche Parallelen zum Nationalismus erkennen, so zum Beispiel im Ausmaß der Gewalt. Baberowski erforschte in den russischen Archiven, wie grausam Stalin und seine Schergen waren. Bereits 1918 gab es in Russland Konzentrationslager. Nahe Moskau haben vier Leute in einem Jahr 20.000 Menschen erschossen. Die Bolschewisten konnten ihre schwache Machtposition nur durch einen gnadenlosen Krieg gegen die eigene Bevölkerung durchsetzen.



Auf der Leipziger Buchmesse wurde Baberowski in der Kategorie "Sachbuch/Essayistik" ausgezeichnet. Die Jury begründet ihre Bewertung mit der Verbindung von Baberowskis Quellennähe und seiner klugen Kritik tradierter Deutungen. Er widerstehe der Versuchung, die Gewalt zu rationalisieren.

Warum einen ungewollten Staat erhalten?

In der Krimkrise rät Baberowski zu einem Verständnis für Putin und die Mehrheit der Russen. Er wirft dem Westen Europas und der USA vor, das sowjetische Imperium und die Rolle der Ukraine nicht verstanden zu haben. Für die Russen sei die Ukraine der mythische Geburtsort ihres Landes. Die Ukraine sei kein einheitlicher Nationalstaat, und die Krim habe immer eine Sonderrolle gespielt. Gegenüber dem Deutschlandradio Kultur wirft er die provokante Frage auf: "Warum kann die Krim nicht haben, was für die Südtiroler selbstverständlich ist? Wieso soll für alle Zeit ausgeschlossen sein, dass sich der östliche vom westlichen Teil der Ukraine trennt? Solches Recht haben auch Tschechen und Slowaken für sich in Anspruch genommen, und es ist kein Krieg daraus geworden."

Im Konflikt um die Ukraine verweist Jörg Baberowski auf die Autonomie der Südtiroler oder die Trennung von Tschechen und Slowaken. Dies seien Modelle in Westeuropa, die gewaltfrei erprobt wurden. Der Geschichtsprofessor sieht darin eine potentielle Lösung. Auch ein mögliches Auseinanderbrechen der Ukraine hält Baberowski nicht für tragisch, sofern gewalttätige Konflikte verhindert würden. "Der Souverän ist das Volk, und wenn die Mehrheit der Wähler im Osten nicht mehr Teil der Ukraine sein will, dann ist es eben so. Warum sollte man denn einen Staat erhalten, dessen Bürger ihn gar nicht wollen?", äußert er gegenüber der Deutschen Welle.

Die russische Sicht der Dinge

Nicht nur die Krim, sondern auch die Gebiete im Osten der Ukraine sollen sich abspalten dürfen, meint Baberowski. Der Westen habe in der ukrainischen Krise versagt, weil er die Geschichte der Ukraine nicht begreife. "Jetzt tut der Westen so, als könne man die Ukraine in die Nato aufnehmen - das ist naiv", postuliert er im Interview des Deutschlandradios. Die Westukrainer hätten mit Hitler kollaboriert, während die Ostukrainer als Soldaten in der Roten Armee kämpften. Die Geschichtserinnerung sei deshalb im Westen und im Osten grundsätzlich unterschiedlich. Erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion habe die Ukraine zu einer Nation werden müssen.

Die provokanten Thesen des Berliner Professors rufen viel Kritik hervor. Baberowski wird Blindheit gegenüber der Existenz einer selbständigen ukrainischen Geschichte vorgeworfen. Er vernachlässige, dass sich in der Ukraine nach über zwanzig Jahren staatlicher Unabhängigkeit eine demokratische Zivilgesellschaft gebildet habe, und übersehe die postsowjetische Generation, die sich nicht mehr in ethnischen, sondern in staatsbürgerlichen Kategorien definiere.

Sehen Sie am Montag, 28. April 2014, 23.10 Uhr ein Gespräch von Peter Voß mit Jörg Baberowski, in dem dieser den Historiker fragt: "Verstehen wir Russland?"

Vita

Jörg Baberowski ist Professor für Geschichte Osteuropas an der Humboldt-Universität in Berlin. Der 1961 am Bodensee geborenen Historiker studierte Geschichte und Philosophie in Göttingen, erlernte selbstständig die russische Sprache und verfasste Studien über die politische Justiz im ausgehenden Zarenreiche und den Stalinismus im Kaukasus. 2012 erhielt er für sein Buch "Verbrannte Erde. Stalins Herrschaft der Gewalt" den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie "Sachbuch/Essayistik".

Wednesday, December 04, 2013

ASERBAIDSCHAN: Wie der Diktator in Baku seinen „Sieg“ errang. Von Rail Safiyev (eurasischesmagazin.de)

(eurasischesmagazin.de) Die Wahl vom 9. Oktober brachte den Menschen in Aserbaidschan eine herbe Enttäuschung. Demokratie und Staat sind das Korruptionsgeschwür nicht losgeworden. Die Perspektiven und die Hoffnung auf einen demokratischen Wechsel im Land wurden erneut verraten. Ilham Aliyev hat als Präsident die Macht im Land fester in der Hand als je zuvor. 
 
Allgegenwärtiger Präsident: Riesige Plakate mit dem Porträt des Staatsoberhauptes Ilham Aliyev „zieren“ selbst die Schaufenster der Geschäfte, wie hier in der Hauptstadt Baku. „Vorwärts mit Ilham“ (Ilhamla Ireli) lautet der simple Text auf dem Bild.
Allgegenwärtiger Präsident: Riesige Plakate mit dem Porträt des Staatsoberhauptes Ilham Aliyev „zieren“ selbst die Schaufenster der Geschäfte, wie hier in der Hauptstadt Baku. „Vorwärts mit Ilham“ (Ilhamla Ireli) lautet der simple Text auf dem Bild.
Foto: Rail Safiyev

Aserbaidschan blickt in eine düstere Zukunft. In den Präsidentschaftswahlen haben sich Elend und Farce des Regimes ausgedrückt. Erneut wurde in dieser Inszenierung die Scheinheiligkeit der Herrschenden manifest. Auch das OSZE-Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte ODIHR mit Hauptsitz in Warschau und dessen internationale Beobachterkommission haben dies festgestellt. ODIHR ging nicht über die Tatsachen der Wahlfälschung hinweg, die von den bestochenen örtlichen Wahlbeobachtern einfach ignoriert wurden.

Die europäischen Staatsoberhäupter und US Präsident Barak Obama haben sich ein paar Wochen Zeit gelassen, ehe sie dem Diktator kürzlich ihre Gruß- und Jubelworte zukommen ließen. Der Vorteil aus dem Gasexport Aserbaidschans war ihnen aber letztlich wichtiger, als der Wert der Demokratie. Auf diese Weise feiern im 21. Jahrhundert immer noch Diktaturen Triumphe, die längst in den Archiven der Geschichte versunken sein müssten.

Regentschaft im Stile eines orientalischen Herrschers

Als Ilham Aliyev vor zehn Jahren das Erbe seines Vaters und Lehrmeisters Heydar Aliyev antrat, unterschätzte man seine Fähigkeiten noch. Den Stil des Vaters, der wie ein orientalischer Herrscher sein Land geführt hatte, wollte man ihm nicht zutrauen. Jetzt, zehn Jahre danach, ist es unübersehbar geworden: Der Sohn steuert die kleine Republik Aserbaidschan genauso absolut wie der alte Aliyev. Seine Macht ist unbestritten und total. Gesetz und Verfassung haben für ihn keine Bedeutung und hindern ihn nicht, seine Macht auszuleben.

Die Verfassung ist durchgelöchert von den Änderungen diverser Gummiartikel. Sie werden getreu der Tradition einstudierter, hin und wieder veranstalteter Referenden wie zu Sowjetzeiten nach des Diktators Vorgaben neu eingefügt oder seinem Willen gemäß verändert.

Aliyevs Machtapparat ist auf das Diktat des Präsidenten zugeschnitten. Die alte Garde seines Vaters erweist ihm unverbrüchliche Treue. Sie ist noch immer im Dienst. Seit 18 Jahren amtieren die Verwaltungsgreise, wie beispielsweise der bald 80jährige Ministerpräsident und der Chef des Präsidentenapparats.

In seinem Parlament fungieren Leute nur mit Genehmigung des Präsidenten. Das Parlament ist ein eklatantes Beispiel für das politische Theater im Lande. Es ist nicht mal fähig, das Ende der Amtszeit eines längst vergessenen und verstaubten Menschenrechtsbeauftragten zu beschließen. Neulich drehte eine Videokamera Parlamentsmitglieder dabei, als sie für solche nur noch daneben sitzenden Kollegen als „freundschaftlichen Dienst“ die Abstimmung per Knopfdruck mit übernahmen.

Nach der letzten Wahl wundert es schon niemand mehr, dass beim neuaufgestellten Ministerkabinett wiederum die alten Gesichter zu sehen sind. Ihre Kriminalität und Unpopularität beim Volk hindert den Regenten nicht, sie wieder zu bestallen. Sie sind eine Art Rückgrat des Regimes: gefügig bis hörig, so dass das Regime ihre Schwäche bequem ausnutzen kann.

Mittelalterliche Feudalherrschaft, mit Öl geschmiert

Ilham Aliyev profitiert ungeniert vom Ölboom des Landes. Da er Aserbaidschan wie seinen Privatbesitz führt, kann er die damit verbundenen Einnahmen nach Gutdünken verwenden und verschwenden. Das Bild eines Wirtschaftsbooms aber täuscht. Es werden zwar imposante Bauprojekte hochgezogen und zur Schau gestellt. Aber damit sollen nur die ausufernden Plünderung-Transaktionen der Staatsfinanzen durch das Regime verschleiert werden. Das System übertrifft die Feudalherrschaft einer mittelalterlichen Herrscherfamilie. Aliyev umgibt sich mit Leuten gleicher Gesinnung, die vor allem Erfahrungen illegaler Geschäftemacherei zusammenhält. Ein Staatsamt ist durch diese Praktiken in Aserbaidschan längst zu einer Pfründe verkommen, die man zugeschustert bekommt, wenn man dem Herrn getreulich und widerspruchslos dient. Wichtig ist eigentlich nur, dass man die Schmiergeldmechanismen beherrscht. Schließlich verhilft dieses Bestechungssystem jedem Staatsdiener, sein von veruntreuten öffentlichen Mitteln zusammengerafftes Vermögen zu vergrößern.

Täuschen und Lügen sind die gewohnte Praxis einer angeblichen Politik der Reformen in Aserbaidschan. Ausländischen Beobachtern wird Sand in die Augen gestreut, bis sie an Fortschritte im Land glauben. Kosmetische Erneuerungen, die man als Reform verkauft, werden mittels Reparaturen an Regierungsgebäuden demonstriert. Solche vereinzelten Ausbauten einiger staatlicher Institutionen sollen die Bürger täuschen und glauben machen, der Staat kümmere sich um ihre Belange. Man will den Anschein erwecken, dass im Land eine Modernisierung im Gange ist, die sich als Dienste an seinen Bürgern versteht.

„Kaviardiplomatie“ für die Aufwertung des Regimes

Der lange Arm des Diktators macht sich die Söhne der Beamtenoligarchen zunutze und schickt sie als Imagepfleger ins Ausland. Auch ausländische Besucher, die man als mediale Multiplikatoren ausmacht, werden verwöhnt: Mit Flugkostenpauschalen und köstlichen Speisen, damit sie ein positives Bild von Aserbaidschan und seinem Regime zeichnen. Wie aus einem Bericht der Europäischen Stabilitätsinitiative (European Stability Initiative, ESI) hervorgeht, betreibt die aserbaidschanische Regierung in massiver Form eine „Kaviardiplomatie“, die sich darin äußert, dass Parlamentarier und einzelne Politiker aus dem demokratischen Westen für die Propaganda des Regimes eingekauft werden. (www.esiweb.org).

Als anschauliches Beispiel dafür wird das Scheitern des Berichts eines SPD Politikers im Europarat genannt, der mit seiner Darstellung über die Lage der politischen Gefangenen in Aserbaidschan überstimmt wurde und zurücktrat. Laut Angaben spielten bei der Abstimmung in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Mittel des Regimes eine gewisse Rolle. (www.presseportal.de).

Solche Art „Kooperation“ hilft dem diktatorischen Regime in Aserbaidschan seine Macht abzusichern und Selbstsicherheit im autoritären Umgang im Inland zu gewinnen. So kann Aliyev im Gespräch mit EU-Präsident Manuel Barroso dreist anbringen, dass es in Aserbaidschan keine politische Gefangenen gibt, und dies einige Tage nachdem wieder Regimekritiker eingesperrt wurden.

Die Gutgläubigkeit europäischer Besuchsdiplomatie

Kritische Stimmen in Aserbaidschan verurteilen die Gutgläubigkeit europäischer Besuchsdiplomatie gegenüber dem Regime, und der Spruch verbreitet sich schon, nicht Aserbaidschan integriere sich in Europa, sondern es sei umgekehrt: Europa nähere sich Aserbaidschan in Sachen Käuflichkeit und Opportunismus an.

Zu kritisieren ist z.B. die Anwesenheit des deutschen Außenministers Guido Westerwelle im Mai dieses Jahres beim Jahrestag des Diktators Heydar Aliyev in Berlin, wo er mit keinem Wort die Menschenrechtslage und politische Repressionen in Aserbaidschan erwähnte. Das gefällt dem Regime in Baku. Das politische Regime betrachtet es umgekehrt mit Unbehagen, wenn die eine oder andere kritische Stimme an seiner Rhetorik der glorreichen Zukunftsausmalung Aserbaidschans Zweifel äußert. So wurde für die deutschen Experten, die sich bislang noch regimekritisch zeigten, Einreiseverbote nach Aserbaidschan verhängt, weil sie z. B. aus Forschungsinteresse Bergkarabach besucht hatten.

Europa verspielt mit seiner Milde gegenüber dem Diktator seine Demokratieideale, die eigentlich hohe Zustimmung in der aserbaidschanischen Bevölkerung genießen. Währenddessen wird die Oppositionsbeteiligung am politischen Leben Aserbaidschans bis auf ein Minimum unterdrückt. Die Opposition ist mangels genügender Ressourcen einfach nicht imstande, um die Unterstützung der Gesellschaft zu werben und zu kämpfen. Das Regime hungert sie aus. Im letzten Parlamentsjahr wurde ihre Teilnahme im Parlament noch weiter eingeschränkt. Mit seiner wiederholten Anspielung vor westlichem Publikum auf die Schwäche der Opposition stellt Ilham Aliyev sich als Unschuldslamm hin. Dabei verheimlicht er seine Unduldsamkeit gegenüber jeglicher Opposition gar nicht. Die Desillusionierten suchen inzwischen längst den Ausweg in einer ständig steigenden Auswanderung.

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ESI Bericht hier: Caviar Diplomacy. How Azerbaijan silenced the Council of Europe 24 May 2012 Berlin


Europarat weist in Abstimmung Bericht über aserbaidschanische Gefangene eindeutig zurück

Sunday, November 10, 2013

ARMENIEN: Aufgerieben zwischen Putin und Ashton. Von Markus Bernath aus Eriwan (derstandard.at)

(derstandard.at) Armenien bezahlt als erster Staat für den neuen Ost-West-Konflikt: Brüssel manövrierte die Kaukasusrepublik in eine Position, in der sie zwischen der EU und Sicherheit durch Russland wählen musste.
 
Zum Greifen nah, aber doch unerreichbar: Ähnlich wie der Ararat ist auch die EU für Armenien dahin.
foto: markus bernath
Im Entwurf steht jetzt eine Lücke. Drei Wochen vor dem Gipfeltreffen in Vilnius weiß die EU nicht, was sie mit Armenien anfangen soll. "Ich verstehe sie nicht", sagt Arsen Ghasarjan, der Großunternehmer, über die Leute in der EU-Kommission. "Ganz Europa braucht den russischen Markt. Ich auch. Welchen Sinn macht es, Russland anzugreifen? Man kann nicht über verstärkte Integration reden und die Worte des Kalten Kriegs benutzen."
Arsen Ghasarjan ist sauer auf Brüssel, und Brüssel ist verstört über die Armenier und das diplomatische Debakel. Vier Jahre haben die Kommission und die EU-Außenpolitikbeauftragte Catherine Ashton mit der kleinen Kaukasusrepublik über ein Assoziierungsabkommen und den Beitritt zu einer Freihandelszone verhandelt. Im Sommer war alles unter Dach und Fach. Dann kam Wladimir Putin. Der russische Präsident lud Armenien in die neue Zollunion von Ex-Sowjetstaaten ein. Armeniens Präsident sagte Ja. Er hatte keine Wahl. Brüssel hätte es wissen müssen.

Der fatale Punkt

"Wir haben unseren EU-Partnern immer gesagt, dass es Armeniens Anliegen ist, seine Beziehungen mit der EU zu entwickeln, jedoch niemals auf Kosten seiner strategischen Partnerschaft mit Russland", sagt Samuel Farmanjan, der die armenische Delegation in der gemeinsamen Kommission des EU-Parlaments leitet. "Wenn wir an den Punkt kommen, an dem wir eine Wahl treffen müssen, hat Armenien keine andere Option, als seine Sicherheit zu wählen."
Die russische Zollunion ist unvereinbar mit einem Beitritt zu einer Freihandelszone der EU, so hat die Außenpolitikbeauftragte Ashton schon während der Verhandlungen gewarnt. Für Brüssel ist Armenien nur ein kleiner Markt von drei Millionen Menschen, eingeklemmt zwischen der Türkei und Aserbaidschan, zwei feindseligen Nachbarn, die ihre Grenzen geschlossen halten. Der politische Schaden aber scheint nun enorm. Es geht um Brüssel gegen Moskau, um großzügige Ideen gegen harte Machtpolitik. Die EU hat die "Ostpartnerschaft", 1000 Seiten lange Assoziationsabkommen, mit denen Armenien, Georgien, Moldau oder die Ukraine näher an die Union gebracht werden sollen. Russland aber hat das Gas und die Soldaten.
In Gyumri, Armeniens zweitgrößter Stadt, liegt die 102. Basis der russischen Armee, das größte Kontingent im Südkaukasus. Für die Armenier sind die russischen Soldaten ein psychologischer Puffer zum Nachbarn Türkei und eine Art Versicherung für den Fall, dass Aserbaidschan einen Krieg beginnt; Moskau - so die Hoffnung - wird wohl bei einem Konflikt um die Enklave Berg-Karabach einschreiten. Nichts, was die Europäer tun würden. Der Kaukasuskrieg 2008 war den Armeniern eine Lehre. Als Russland in Georgien einmarschierte, sah die EU erst zu und schrieb dann einen Friedensplan auf, an den sich Moskau bis heute nicht hält.
"Wenn Armenien in den zurückliegenden Jahren nur irgendeine Sicherheitsgarantie von der EU oder den USA erhalten hätte, wäre die Lage jetzt vielleicht anders", sagt eine Armenierin, die aus der Diaspora im Westen stammt und nun in Eriwan arbeitet. "Seien wir ehrlich: Die EU hat sich nie um die Karabach-Frage gekümmert", sagt Naira Sohrabjan, die Vorsitzende des Ausschusses für EU-Integration im armenischen Parlament.
Sohrabjan, eine führende Politikerin der unternehmerorientierten früheren Regierungspartei Wohlhabendes Armenien, ist frustriert. "Ich habe den Eindruck, dass einige in Brüssel nicht richtig kalkuliert haben." Armenien hätte nie in eine Position gedrängt werden sollen, in der es sich zwischen Europa und Russland entscheiden muss.
Farmanjan, ein aufsteigender Politiker der regierenden Republikanischen Partei, sieht ein anderes Versäumnis der EU. Diese hätte Druck auf Ankara machen müssen, damit die 2009 geschlossenen Normalisierungsabkommen mit Armenien auch ratifiziert und umgesetzt würden: "Hätte die Türkei die Grenzen geöffnet, hätte dies die gesamte Geopolitik und den Integrationsprozess in der Region geändert." Aus Solidarität mit Aserbaidschan hatte die Türkei während des Karabachkriegs vor 20 Jahren die Grenze nach Armenien geschlossen.
Die Stimmung in Eriwan ist dieser Tage gedrückt. "Es schmerzt mich, dass unsere Kooperation mit der EU geschwächt ist", sagt Naira Sohrabjan: "Unser Platz ist in der europäischen Familie." Putins Zollunion aber, der derzeit neben Russland nur Weißrussland und Kasachstan angehören, bedeutet für viele Politiker und NGO-Vertreter in Eriwan Stagnation, kein Modell für die weitere Demokratisierung Armeniens.
Einige behaupten tapfer das Gegenteil. "Unsere Produkte werden billiger" , glaubt Hermine Naghdaljan, Vizepräsidentin des armenischen Parlaments. Die Hälfte der armenischen Wirtschaft hänge ja von Russland ab. Das Bild ist differenzierter: Über ein Drittel der Exporte gehen in die EU, ein Fünftel nach Russland.
Arsen Ghasarjan, Chef des größten Frachtunternehmens in Armenien und Präsident eines Industriellenverbands, kritisiert die Frontstellung der EU gegen die Zollunion. "Weshalb zieht man Mauern hoch zwischen diesen beiden Zonen? Wirtschaftlich macht es keinen Sinn. Politisch vielleicht für einige Leute in Brüssel." Was für Armenien gelte, sei ebenso richtig für die viel größere Ukraine, sagt Ghasarjan: Die Abhängigkeit vom russischen Markt sei eine Tatsache. "Wenn die Ukraine allein der EU-Freihandelszone angehört, kann man sich leicht ausrechnen, dass in einem Jahr die Hälfte ihrer Wirtschaft zusammengebrochen ist. In der EU-Kommission wird dann dafür niemand die Verantwortung übernehmen."

Kampf um die Ukraine

Der "Kampf um die Ukraine", so heißt es in Eriwan, ist das eigentliche Thema des neuen Ost-West-Konflikts. Armenien hat nur als Erster dafür bezahlt. Wie es nun weitergehen soll? "Die Tür zur EU ist zu, aber sie ist nicht verriegelt", glaubt Samuel Farmanjan. Er sieht Spielraum für ein abgespecktes Abkommen zwischen der EU und Armenien beim Gipfel in Vilnius Ende des Monats. Ähnlich vage Hoffnungen verbreitet auch die Brüsseler Kommission. (Markus Bernath aus Eriwan, DER STANDARD, 6.11.2013)

Wednesday, October 30, 2013

PODCAST: In Georgien endet die Ära Saakaschwili. Giorgi Margwelaschwili gewinnt Präsidentenwahl. Von Gesine Dornblüth, Tiflis (dradio.de)

Der bisherige georgische Präsident Saakaschwili durfte nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. (Bild: AP)
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(dradio.de) Zehn Jahre stand Saakaschwili an der Spitze der Südkaukasusrepublik und hat sie mit seiner Exzentrik durch Höhen und Tiefen geführt. Der Tiefpunkt war der Krieg mit Russland 2008. Sein Nachfolger wird Giorgi Margwelaschwili aus dem Lager seiner Gegner.

"Es lebe der Präsident, Giorgi", rief die Menge bereits am frühen Abend. Da hatten die Wahllokale in Georgien erst eine Stunde geschlossen, doch schon die ersten Prognosen sahen Giorgi Margwelaschwili, den Kandidaten der Regierungskoalition, weit vorn. Der künftige Präsident, 44 Jahre, lange im Universitätsbetrieb und bis auf ein paar Monate als Bildungsminister politisch unerfahren, bedankte sich als erstes bei seinem Ziehvater.

"Ich möchte mich bei einer für mich sehr wichtigen Person bedanken, einer Person, die für mich eine Autorität ist und dies immer bleiben wird: Bei meinem Freund Bidzina Iwanischwili. Bidzina hat den Sieg im letzten Jahr geschaffen, Bidzina hat uns geeint, und durch diese Einigung hat er den jetzigen Sieg ermöglicht. Vielen Dank, Bidzina, dafür, was du für unser Land getan hast."

Der schwerreiche Bidzina Iwanischwili ist seit dem Sieg seiner Koalition, dem Georgischen Traum, bei den Parlamentswahlen im letzten Jahr Premierminister. Der Wahlsieg seines Kandidaten ist ein persönlicher Triumph für ihn, denn Iwanischwili war vor anderthalb Jahren in die Politik gegangen, um Noch-Präsident Saakaschwili und dessen Partei von der Macht zu vertreiben. Im Unterschied zu dem eher exzentrischen Saakaschwili und dessen Umgebung gibt sich Iwanischwili eher bieder, er führt das Land wie ein Unternehmer.

"Ich sehe hier in der Menge viele unserer Abgeordneten und Minister. Hier steht unsere Regierung. Das sind ganz normale Leute, wie du und ich. So bin auch ich immer gewesen, und danach habe ich meine Regierung zusammengestellt."

Iwanischwili und große Teile seiner Regierungskoalition sind allerdings auch extrem konservativ. Bei den Wählern kommt das offenbar an.

Der scheidende Präsident Saakaschwili trat am Abend vor die Kameras - und gab sich staatsmännisch.

"Wir müssen die Meinung der Mehrheit akzeptieren. Ob wir damit einverstanden sind oder nicht - so sind die Regeln der Demokratie. Wir achten die Gerechtigkeit und die Meinung der Mehrheit."

Saakaschwili hatte Georgien in einen Krieg mit Russland geführt und zuletzt stark autoritäre Züge entwickelt. Nun nimmt er für sich in Anspruch, den Weg Georgiens zu freien Wahlen geebnet zu haben. Tatsächlich verlief die Wahl bemerkenswert frei und fair. Die zahlreichen Wahlbeobachter stellten lediglich eine geringe Zahl von Verstößen fest. Auch der Wahlkampf war weitgehend fair verlaufen. Der unterlegene Kandidat, Davit Bakradze aus dem Saakaschwili-Lager, gratulierte denn auch dem Wahlsieger - auch das hat es im unabhängigen Georgien bisher nicht gegeben.

"Jeder vierte Wähler, der heute zu den Urnen gegangen ist, hat die Nationale Bewegung gewählt. Also mich. Wir haben bewiesen, dass wir die wichtigste oppositionelle Kraft im Land bleiben."

Der neue Präsident, Margwelaschwili, wird über wesentlich weniger Macht verfügen als sein Vorgänger. In Kürze tritt eine Verfassungsreform in Kraft. Georgien wird dann eine parlamentarische Demokratie. Alles in allem eine positive Tendenz, sagt Rusudan Tabukaschwili, Analystin beim Institut für Kaukasusstudien in Tiflis.

"Dieses Wahlergebnis bedeutet, dass es erst mal ruhiger wird im Lande. Dass die Regierung und die Opposition das machen, was ihnen zugeschrieben ist, und nicht einander beschuldigen werden. Das werden die weiter machen, aber nicht in der Form, wie es bisher gemacht worden ist."

Am außenpolitischen Kurs Georgiens wird das Wahlergebnis wenig ändern. Georgien ist Teil der östlichen Partnerschaft der EU. Premierminister Iwanischwili hat stets verkündet, an der Westintegration Georgiens, die Saakaschwili eingeläutet hat, festzuhalten. Der künftige Präsident Margwelaschwili wird sich dem unterordnen. Er hat zugleich angekündigt, das Verhältnis Georgiens zu Russland, das Saakaschwili stark strapaziert hat, weiter zu verbessern - auch das in Absprache mit Iwanischwili.

Friday, October 18, 2013

INTERVIEW: Georgien: EU-Kurs trotz verschärftem Druck aus Russland. EurActiv.de-Interview mit Außenministerin Maia Panjikidze (euractiv.de)

(euractiv.deWie Georgien dem verschärften Druck aus Russland standhalten will, wie trotz der gegenwärtigen Kohabitation Konsens über den europäischen Kurs herrscht und was es mit den geheimnisumwitterten hochtechnologischen amerikanischen Bio-Laboren an der russischen Grenze auf sich hat, schildert Georgiens Außenministerin Maia Panjikidze im Interview mit EurActiv.de.

Georgiens Außenministerin Maia Panjikidze mit Ministerpräsident Bidzina Ivanishvilis (li.) und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Foto: EC
EurActiv.de: Georgien hat sehr hohe Erwartungen in den EU-Gipfel in der litauischen Hauptstadt Vilnius zum Thema Östliche Partnerschaft und Assoziierungsabkommen. Sind Sie in Berlin auf der Suche nach Verbündeten?

PANDJIKIDZE: Mit dem EU-Gipfel in Vilnius Ende November, bei dem es um die Östliche Partnerschaft geht, verbinden wir sehr große Hoffnungen, dass wir das Assoziierungsabkommen paraphieren werden, dass dieses Abkommen 2014 in Kraft treten kann und wir mit der Implementierung beginnen können. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass es nicht so sein wird.

Die EU und die Östliche Partnerschaft haben übrigens ein zusätzliches Forum eingerichtet, das Civil Society Forum, ein neues Format für die Länder der Östlichen Partnerschaft. Bis jetzt wurde es stets in einem EU-Land durchgeführt, in Brüssel oder Berlin. Soeben fand es erstmals in einem Nicht-EU-Land statt, nämlich in Moldau. Ich komme soeben von dort. Das nächste Forum findet in Georgien statt. In Berlin bin ich, weil Deutschland einer der wichtigsten Partner für Georgien ist und wir regelmäßig Konsultationen mit unseren Partnern haben.

EurActiv.de: Warum kommen Sie ausgerechnet während der deutschen Koalitionsgespräche nach Deutschland?

PANDJIKIDZE: Wie gesagt, Deutschland ist einer der wichtigsten Partner für Georgien. Egal, wie die Koalitionsverhandlungen in Deutschland ausgehen, ich bin fest davon überzeugt, dass Berlin seine Einstellung in Bezug auf Georgien nicht ändern wird. Ich wurde von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) eingeladen, einen Vortrag zu halten und über die Situation in Georgien vor den Präsidentschaftswahlen zu sprechen. Ich bin aber auch aus einem zweiten Grund in Berlin, der hat mit dem Regierungswechsel in Berlin zu tun und mit meinem persönlichen Bedauern, dass Außenminister Guido Westerwelle geht. Ich schätze ihn sehr und habe mit ihm sehr gut zusammengearbeitet.

EurActiv.de: Im Fall Georgien scheint es ja mit dem Assoziierungsabkommen zu klappen. Hauptthema in Vilnius wird aber die Ukraine sein: Kommt es zum Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine oder nicht?

PANDJIKIDZE: In der Östlichen Partnerschaft sind sechs Länder. Davon werden in Vilnius voraussichtlich nur drei einen Schritt weiter machen. Die drei werden hoffentlich die Ukraine sein, Moldau und wir. Wir tauschen unsere Erfahrungen aus und beschreiten den Weg mehr oder weniger gemeinsam. Daher ist eine Abstimmung sehr wichtig. Mit Moldau haben wir jetzt ein Abkommen unterschrieben, wonach wir unsere Ambitionen gemeinsam artikulieren, weil wir ziemlich gleichauf sind.

Ich hoffe sehr, dass diese drei Länder einen Schritt weiter machen werden.

Andere Länder haben eine andere Entscheidung getroffen. Es ist schwierig, immer dasselbe Niveau und den gleichen Rhythmus zu halten. Jedes Land hat seine eigenen Ambitionen. Was uns verbindet, ist der gemeinsame Raum, die osteuropäischen Nachbarn der EU zu sein – aber eben mit unterschiedlichen Ambitionen. Ich hoffe aber, dass sich die anderen Länder stärker für Europa engagieren und früher oder später unserem Beispiel folgen werden.

EurActiv.de: Zur Freude der Russen...

PANDJIKIDZE: Die Politik Russlands ist ganz klar und hat sich im September wieder sehr stark gezeigt: Russland ist nicht glücklich mit der Vorstellung, dass diese Länder einmal den Weg Richtung Europa intensiver gehen und eventuell sogar einmal Mitglied der EU werden. Deshalb hat Moskau als Balance zur EU die Zollunion und die Eurasische Union ins Leben gerufen.

Georgien erlebt jetzt eine besondere Zeit der politischen Kohabitation, aber wenn über etwas einen Konsens gibt, dann ist das der westliche Kurs des Landes, die europäische und euroatlantische Integration, weil das der Wille und die Wahl des georgischen Volkes ist und nicht der Wille und die Wahl nur einer Regierung. Unser Ziel ist des, das Assoziierungsabkommen in Vilnius zu paraphieren. Eines ist ganz klar: Der Teil des Assoziierungsabkommens, der das wichtigste ist – das Deep and Comprehensive Free Trade Area (DCFTA), also die Freihandelszone mit der EU – und die Zollunion sind nicht vereinbar.

EurActiv.de: Wurde und wird auf Georgien besonderer Druck ausgeübt?

PANDJIKIDZE: In Georgien ist der Druck nie aufgegeben worden. Wir hatten von Anfang an Druck, seit der Unabhängigkeit. Zwanzig Prozent des Landes ist zur Zeit von Russland okkupiert. Jetzt wurde der Druck dadurch verschärft, dass Stacheldrahtzäune entlang der Okkupationslinie installiert werden. Das ist Verletzung der territorialen Integrität und Souveränität Georgiens, des Waffenstillstandsabkommens vom 12. August 2012 und der Menschenrechte. Das einzige Mittel gegen die illegalen Aktivitäten Russlands ist aus unserer Sicht die Konsolidierung der internationalen Unterstützung und ihr Appell an Russland, die illegalen Aktivitäten einzustellen und internationale Verpflichtungen zu erfüllen. Wir sind der NATO, der EU, den USA und anderen Ländern für die Unterstützung sehr dankbar.

Für Georgien kommt es gar nicht in Frage, die Richtung zu ändern. Wir gehen Richtung Europa. Deshalb verbinden wir mit Vilnius ganz starke Hoffnungen. Wir hoffen sehr, dass die Europäische Union das genauso sieht und das Abkommen zustande kommt und wir mit der Implementierung anfangen und alles weiterentwickeln können.

EurActiv.de: Russlands Außenminister Lawrow warf jüngst der EU doppelte Standards vor und war sicher, dass Südossetien und Abchasien künftig von mehr als nur fünf Ländern weltweit anerkannt werden würde. Das klingt nicht nach Annäherung.

PANDJIKIDZE: Es ist leider so, dass Russland seine Linie noch beibehält. In einigen problematischen Bereichen konnten wir die Beziehungen verbessern, in einigen Wirtschafts- und Handelsfragen, in der Kultur und auch in humanitären Fragen. Das ist aber nur die eine Seite der Beziehungen. Auf der anderen Seite geht es um die "roten Linien". Die sind gleich geblieben – für beide Seiten. Für uns bleibt die rote Linie die territoriale Integrität und Souveränität des Landes. Für Russland ist es anders rum. Für Russland sind das drei Länder auf dem Territorium von Georgien.

Für uns ist es die Nicht-Anerkennungs-Politik gegenüber den okkupierten Gebieten, für Russland ist es umgekehrt die Bemühung, mehr Anerkennung in der Welt für die besetzten Gebiete zu erzwingen.

Übrigens, es sind nur noch vier Länder, die die Unabhängigkeit von Südossetien und Abchasien anerkannt haben, nämlich Venezuela und Nikaragua und zwei Inselstaaten, Tuvalu und Nauru. Ein drittes Land im Pazifik, die Inselrepublik Vanuatu, das anfangs nur die Unabhängigkeit von Abchasien anerkannt hatte, hat die Anerkennung wieder zurückgenommen. Vanuatu hat mit uns jetzt sogar diplomatische Beziehungen aufgenommen. So eine Änderung ist auch in den verbleibenden vier Ländern möglich.

Übrigens ist bei diesem Thema die Unterstützung der EU und der USA, aber auch von anderen Partnerländern sehr groß.

EurActiv.de: Von der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zu Russland sind Sie noch weit entfernt?

PANDJIKIDZE: Diplomatische Beziehungen werden nicht möglich sein, solange die zwei Gebiete okkupiert sind.

EurActiv.de: Russland zeigt sich besorgt über "biologische Aktivitäten" in Georgien nahe der russischen Grenze und meint damit ein Bio-Labor der Amerikaner in Ihrem Land. Was machen die Amerikaner?

PANDJIKIDZE: Die Amerikaner haben das hochtechnologische Labor vor einigen Jahren in Georgien gebaut. Wir sind sehr glücklich, dass wir das haben. Es ist kein Geheimlabor, in dem irgendwelche gefährlichen Untersuchungen gemacht werden. Wir haben übrigens russische Experten eingeladen, sich das anzuschauen, und haben sogar gemeinsame Projekte angeboten.

Nach der gereizten Reaktion der Russen haben wir das ganze diplomatische Corps eingeladen, um zu zeigen, dass es eine ganz normale wissenschaftliche Einrichtung ist, die dem Gesundheitsministerium untersteht und Fragen der Ernährungssicherheit und des Gesundheitswesens behandelt.

EurActiv.de: In den letzten Monaten haben die Amerikaner mit ihren Geheimdienstaktivitäten in Europa für Enttäuschungen gesorgt. Besteht nicht die Gefahr, dass da mehr dahintersteckt? PANDJIKIDZE: Nein, auf gar keinen Fall. Die Enttäuschung teile ich nicht. Für Georgien ist Amerika ein sehr wichtiger strategischer Partner. Wir können uns nicht beklagen. Und es ist ausgeschlossen, dass ohne Wissen der georgischen Behörden irgendetwas stattfindet, was gefährlich wäre. EurActiv.de: Also ist das nur russische Propaganda?

PANDJIKIDZE: Die georgischen Behörden haben die völlige Kontrolle über das, was in diesem Labor passiert. Da ist nichts Gefährliches für irgendjemanden dabei, weder für das Land selbst noch für die Umgebung. Da werden auch keine internationalen Projekte durchgeführt, in die andere Länder involviert wären. Das Labor ist nur für Georgien von Bedeutung.

Georgien bleibt strategischer Partner der USA. Uns verbindet sehr viel. Nichts kann dieser Beziehung schaden. Das wird auch so bleiben.

EurActiv.de: Georgien will ja einmal EU-Mitglied sein. Würden Sie das auch schaffen, selbst wenn Ihr Nachbarland Türkei nie beitreten würde?

PANDJIKIDZE: Ich wünsche auch der Türkei, dass sie der EU beitreten kann. Aber ich verbinde die EU-Beitrittsperspekitve Georgiens nicht mit der Perspektive anderer Länder. Es geht immer um individuelle Entscheidungen. Ich bin sicher, wenn Georgien die Kriterien erfüllt, kann nichts im Wege stehen, dass wir beitreten, ob das nun in zehn oder zwanzig Jahren sein wird. Wir werden alles tun, um dieses Ziel zu erreichen und diesen Traum von Georgien Wirklichkeit werden zu lassen.

Interview: Ewald König

Sunday, September 15, 2013

POLITIK: Das Verhältnis zu Russland bleibt kompliziert. Gespräch mit Georgiens Aussenministerin Maya Panjikidze. Von Volker Pabst (nzz.ch)

(nzz.ch) Georgien hält an der Westorientierung fest. Der Konflikt mit Moskau um die abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien bestimmt die Politik des Landes.
Volker Pabst, Bern

Die georgische Aussenministerin Maia Pandschikidse. 

Georgien arbeitet weiter auf eine Integration in die westlichen Institutionen EU und Nato hin. Am Gipfel der Europäischen Union mit den östlichen Partnerländern im November in Vilnius soll der erste Schritt für ein Assoziierungsabkommen gemacht werden. «Dies ist ein wichtiger Schritt für uns», erklärt die georgische Aussenministerin Maia Pandschikidse im Gespräch am Rande eines Arbeitsbesuchs in der Schweiz. «Und ich hoffe, dass auch die Ukraine und die Moldau in Litauen die Zusammenarbeit mit Brüssel weiter intensivieren!»

Druckversuche aus Moskau

Russland ist die Annäherung ehemaliger Sowjetrepubliken an die EU ein Dorn im Auge. Auf Kiew und Chisinau hat Moskau unlängst den Druck erhöht, um eine Abwendung der beiden Länder von der Union zu erwirken. Russische Vertreter haben jüngst unverhohlen mit Gaslieferunterbrüchen in diesem Winter gedroht, sollten die beiden Staaten sich stärker zur EU hinwenden. Die Einfuhr moldauischen Weins wurde bereits verboten; Russland war wichtigster Abnehmer moldauischer landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Georgiens Nachbarland Armenien, ebenfalls ein Zielland der östlichen Partnerschaft, wie das EU-Programm zur Zusammenarbeit Brüssels mit Georgien, Armenien, Aserbeidschan, Weissrussland, der Moldau und der Ukraine offiziell genannt wird, gab zudem vor einigen Tagen bekannt, in Vilnius kein Abkommen zu unterzeichnen, sondern sich der Zollunion von Russland, Weissrussland und Kasachstan anzuschliessen. «Wir verstehen Armeniens Situation. Dennoch bedauern wir den Schritt», erklärt Pandschikidse. Armenien ist angesichts des rohstoffreichen und somit wirtschaftlich überlegenen Erzfeinds Aserbeidschan auf auswärtigen Schutz angewiesen. Diesen kann nur Russland bieten.

Auf Druckversuche gegenüber Georgien angesprochen, antwortet die Ministerin rhetorisch: «Was kann uns schon passieren?» Georgien und Russland befinden sich immer noch im Kriegszustand, die Schweiz vertritt in den beiden Hauptstädten die Interessen des jeweils anderen Landes.

Leichte Entspannung

Seit dem Regierungswechsel im vergangenen September hat sich das Verhältnis Tbilissis zu Moskau aber etwas verbessert. Ministerpräsident Bidsina Iwanischwili gilt, anders als sein Widersacher, Präsident Saakaschwili, in Moskau nicht als Persona non grata. «Man kann durchaus von einigen positiven Veränderungen sprechen», resümiert Pandschikidse die Entwicklungen des vergangenen Jahres. Die Einreisebedingungen wurden gelockert, Moskau hob das Importverbot für georgischen Wein auf, Tbilissi verzichtete auf ein Veto gegen Russlands Beitritt zur WTO und machte seine Ankündigung, die Winterspiele in Sotschi zu boykottieren, rückgängig. Im Verlaufe der Krise in Syrien bot Moskau sogar an, georgische Staatsbürger aus dem Bürgerkriegsland zu evakuieren.

Für Saakaschwilis Anhänger verträgt sich ein prowestlicher Kurs allerdings nicht mit versöhnlichen Gesten gegenüber Moskau. Aus Saakaschwilis Lager wird Iwanischwili immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, georgische Interessen zu verraten. Auch in den Wahlen um das Präsidentenamt im Oktober wird die Frage der aussenpolitischen Ausrichtung des Landes eine Rolle spielen. Pandschikidse weist den Vorwurf der Russlandfreundlichkeit ihrer Regierung zurück. Zudem hätten gewisse Fortschritte in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit nichts an den grundlegenden Problemen mit Moskau, der Statusfrage von Abchasien und Südossetien, geändert. «Das Verhältnis zu Russland bleibt für uns kompliziert.

Werben um Sympathien

Die Wiederherstellung der territorialen Integrität Georgiens sei noch in weiter Ferne, doch arbeite man weiter daran, erklärt die Ministerin. Dazu gehörten neben der diplomatischen Arbeit auch die Bemühungen der Regierung, die Bewohner der abtrünnigen Gebiete, die mehrheitlich auch russische Staatsbürger sind, von den Vorzügen der Zugehörigkeit zu Georgien zu überzeugen. Deshalb sei man zum Beispiel auch darum besorgt, dass der georgische Pass nicht unattraktiver sei als der russische. Ein Assoziierungsabkommen mit der EU sei ein erster Schritt, um Visabestimmungen zu lockern. Auch während des Besuches in der Schweiz spielen Visafragen eine Rolle. Am Samstag ist die Unterzeichnung eines Abkommens zur Lockerung von Einreisebestimmungen geplant.

PODCAST: Georgien geht in Richtung EU. Von Christoph Wüthrich (srf.ch)

(srf.ch) Vor fünf Jahren war Georgien in einen Blitzkrieg gegen Russland verwickelt. Die Schweiz hat mitgeholfen, dass sich die Beziehungen zwischen den Ländern in der Zwischenzeit etwas verbessert haben, sagt die georgische Aussenministerin. Gut sind sie allerdings noch lange nicht.

Maia Panjikidze, die Aussenministerin von Georgien.Nur ein paar Tage dauerte der Krieg zwischen Russland und Georgien im August vor fünf Jahren. Aber die Wunden sind nicht verheilt. Russland hat nach wie vor Truppen in den beiden abtrünnigen Gebieten Georgiens, in Abchasien und Südossetien, stationiert.

Vor einem Jahr wählte Georgiens Bevölkerung eine neue Regierung, die versprach, die Beziehungen zu Russland zu normalisieren und den vorherigen Konfrontations-Kurs zu beenden. Bei einem Besuch in der Schweiz sagt Aussenministerin Maia Panjikidze dazu: «Ich glaube, wir haben in diesem einen Jahr so ziemlich alles erreicht, was möglich war.» Wein und Mineralwasser

Sie ist stolz auf das, was die Regierung von Premierminister und Milliardär Iwanischwili zu Stande gebracht hat. Sie ist aber auch realistisch. Erreicht worden sei, was möglich war. Da geht es vor allem um die Wirtschaft.

Seit dem Frühling erlaubt Moskau wieder den Import georgischer Waren. «Georgien produziert nicht viel, das für den russischen Markt interessant ist.» Es gehe vor allem um Wein und Mineralwasser, und das sei wieder auf dem russischen Markt.

Besetztes Territorium

Auch das Reisen zwischen Georgien und Russland sei rasch erleichtert worden. Panjikidze sagt trotzdem, von guten Beziehungen mit Russland sei Georgien noch weit entfernt. «Wir haben keine diplomatischen Beziehungen mit Russland. Russland hat zwanzig Prozent unseres Territoriums besetzt. Und weil Russland Abchasien und Südossetien zu unabhängigen Staaten erklärt hat.» Solange diese Besetzung andauere, seien normale Beziehungen nicht möglich, sagt die Aussenministerin.

Diplomatische Interessenvertretung

Seit dem Krieg vertritt die Schweiz die diplomatischen Interessen Georgiens in Moskau und die Russlands in Tiflis. Die Schweiz mache dies sehr gut, sagt die Aussenministerin. In noch in einem anderen Punkt spiele die Schweiz eine wichtige Rolle, nämlich bei den Genfer Gesprächen.

Bei diesen Gesprächen zwischen Russland und Georgien geht es um schwierige Fragen: um die russischen Soldaten, die auf georgischem Boden stehen, und um die Flüchtlinge, die nach Abchasien und Südossetien zurückkehren möchten.

Die Schweiz bemühe sich sehr, sagt Maia Panjikidze, aber im Moment gebe es in Genf kaum Fortschritte.

Integration in Europa

Georgiens Aussenpolitik hat zwei Fern-Ziele: Zum einen will das Land normale Beziehungen mit Russland, zum anderen will es sich in Europa integrieren. Es ist eine Art Gratwanderung. «Georgien hat immer gesagt, dass der europäische Weg der einzige Weg ist für Georgien. Er führt in Richtung Europa, europäische Union und in Richtung Nato», sagt die Aussenministerin.

Im November will Georgien am EU-Ost-Gipfel in Vilnius ein Assoziierungs-Abkommen mit der EU unterschriftsreif machen. Auch andere Staaten, die früher zur Sowjetunion gehörten, streben solche Abkommen an. Russland versucht das aber zu verhindern. Im August übte es mit Schikanen am Zoll massiven Druck auf die Ukraine aus. Und letzte Woche verhängte es ein Importverbot für Wein aus Moldawien.

Dass ein solches Abkommen die Chance verkleinere, dass die zwei Gebiete aus der russischen Obhut zu Georgien zurückkehren, glaubt Panjikidze nicht. «Ich glaube, das wird in einem anderen Kontext entschieden. Wir gehen Richtung Europa, Richtung Nato und das bringt unserem Land eine bessere Entwicklung.» Diese werde die Wirtschaft ankurbeln. Und: «Wenn dieses Land für alle gut ist, die darin wohnen, ist dies das beste Argument für eine Wiedervereinigung.»

Wohlstand, das war die Anziehungskraft, die der deutschen Wiedervereinigung zum Erfolg verhalf. Es ist wohl kein Zufall, dass Maia Panjikidze auf dieses Prinzip setzt. Sie hat in Jena in Ost-Deutschland studiert und war später Botschafterin in Berlin.

Sendungsbeitrag zu diesem Artikel 



Georgische Aussenministerin zur Beziehung zu Russland
Aus Echo der Zeit vom 13.9.2013
Nur ein paar Tage dauerte der Krieg zwischen Russland und Georgien im August 2008. Die Wunden sind noch nicht verheilt. Die Regierung von Georgien ist vor einem Jahr mit dem Versprechen angetreten, die Beziehungen zu Russland zu normalisieren.
Wie weit ist man gekommen? Die georgische Aussenministerin Maia Panjikidze weilt zurzeit in der Schweiz.
Christoph Wüthrich